Kommentar: Shareware 2.0

Redaktion Macnotes, den 17. Dezember 2006
Kommentar
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Heute geht mit MacHeist eine Aktion zu Ende, die wie kaum eine andere in den letzten Wochen für Wirbel in der Mac-Szene gesorgt hat. Sie ist dabei nur ein Beispiel für eine Reihe von Trends und Entwicklungen, die die Software-Industrie verändert haben. Selten durfte die Branche so viel Aufmerksamkeit genießen wie in diesem Jahr – und doch ist nicht alles Gold, was glänzt. Umso mehr lohnt sich ein kritischer Blick auf den Status Quo.

Außen hui, innen pfui

Kleider machen Leute und durchgestylte Oberflächen offenbar erfolgreiche Shareware. Das allein wäre nicht zu beanstanden, schließlich sind wir Mac-User eben besonders wählerisch was das Look-and-feel der Programme angeht, für die wir bezahlen. Es scheint jedoch als würden manche Entwickler ihre Ressourcen nunmehr fast ausschließlich auf im doppelten Sinne oberflächliche Kosmetik verwenden. Die Liste der Opfer dieses neuen Schönheitswahns ist lang. Prominente Vertreter sind zum Beispiel Disco und Cha-Ching. Da wird mit optischen Effekten nur so um sich geworfen, doch selbst perfekt animierter Rauch vermag funktionale Schwächen nicht zu vernebeln.

Beta forever

Die beiden genannten Programme stehen exemplarisch für eine weitere Unart, die sich immer mehr breit macht: Software wird mittlerweile bereits verkauft, wenn sie gerade einmal halb-fertig ist. Oft lassen die Programme heute nur das grobe Konzept erkennen, wenn sie der Öffentlichkeit zum Kauf angeboten werden. Die Entwickler lassen sich die monatelangen Beta-Phasen teuer bezahlen und profitieren gar von kostenlosen Bug-Reports und Feature-Requests der Käufer, die in der verzweifelten Hoffnung, irgendwann einmal eine brauchbare Software zu bekommen gerne mit Rat und Tat zur Seite stehen.

„Diggtat“ der Masse

Wer heute in der Shareware-Szene erfolgreich sein will, braucht mehr denn je Publicity. PR ist mittlerweile Alles und ohne eine Schar von Unterstützern, die die Software bei Digg, iUseThis und Co. an die Spitze klicken, haben Newcomer keine Chance. Hinzukommt, dass das, was alle toll finden, nicht immer tatsächlich gut ist. Denn ausgewiesener Schrott lässt sich heute gewinnbringend vermarkten, wenn der Hype drumherum groß genug ist.

Software zum Discounter-Preis

Ob MacHeist, „Mac App a Day“ oder MacZot: Shareware wird heute verschenkt oder zum Discounter-Preis verramscht. Marketing-Guru Phill Ryu steht mit seinen Projekten an der Spitze dieses Eisbergs, an dem er selbst kräftig verdient. Nun muss man nicht gleich zum Mitleid mit den angeblich ausgebeuteten Entwicklern aufrufen, schließlich machen die freiwillig mit. Aber es fragt sich doch, ob dieser Trend aus Anwendersicht wünschenswert ist. Natürlich freuen wir uns über günstige Software, doch einem geschenkten Gaul schaut man eben auch nicht ins Maul. Bei sinkender Rendite pro Lizenz leidet zwangsläufig der Support, den die Entwickler dem einzelnen Anwender bieten können und wollen. Auch die Qualität der Programme wird nicht zwangsläufig besser, wenn ihr Wert nur noch in Cent-Beträgen taxiert wird.


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