Rezension: Linux-Kernel-Handbuch

ml, den 14. Mai 2008
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Das Linux-Kernel-Handbuch von Robert Love gibt einen detaillierten Einblick in die Struktur und den Aufbau des 2.6er Linux-Kernels und soll interessierten Anwendern und Entwicklern den Einstieg in die Kernel-Programmierung erleichtern. Wir haben das Buch gelesen und möchten es euch kurz vorstellen.

In einigen Leserzuschriften wurden wir gefragt, ob wir nicht auch Artikel zu Themen schreiben könnten, die nicht nur aus dem Mac-Universum stammen. Deshalb hat die heutige Buch-Rezension auch nichts mit dem Mac zu tun, sondern bezieht sich auf das Thema Linux.

Linux dürfte für den einen oder anderen Mac-Anwender durchaus interessant sein. So stammt doch zahlreiche auf dem Mac verfügbare Software von dieser Plattform. Vor zwei Jahren wurden sogar Stimmen laut, die forderten, dass Apple dem Linux-Kernel den Vorzug gegenüber dem eigenen Xnu-Kernel geben sollte. Einige der Stimmen dabei waren durchaus sehr populistisch und weniger durch ernsthafte Fakten untermauert.

Die harten Fakten

Das Linux-Kernel-Handbuch wurde von Robert Love, seines Zeichens selbst Kernel-Entwickler bei Novell, geschrieben und ist im Addison-Wesley-Verlag erschienen. Die von uns gelesene deutsche Übersetzung wurde von Erik Keller vorgenommen. Das Buch ist in 20 Kapitel eingeteilt, die sich auf knapp 450 Seiten verteilen.

Der Grund für den Autor das Buch zu schreiben, ist nach eigener Aussage die stetig steiler werdende Lernkurve für Einsteiger, die an der Entwicklung des Linux-Kernels mitwirken wollen. Der aktuelle Kernel in Version 2.6 ist mittlerweile ein derart komplexes Gebilde geworden, dass sich Neulinge nicht mehr ohne weiteres zurechtfinden. Damit ist auch die Zielgruppe für dieses Buch klar definiert.

Inhalt

Der Inhalt des Buches ist eine interessante Mischung aus einer Informatik-Grundstudium-Vorlesung über Betriebssysteme und Linux-Spezifika und -Konzepten. Das an gewissen Stellen auch auf allgemeine Techniken von Betriebssystemen eingegangen wird, hat durchaus seine Berechtigung, aber einem erfahrenen Entwickler doppelt verkette Listen zu erklären, geht dann doch über das Ziel hinaus. An solchen Stellen wäre weniger mehr gewesen.

In den 20 Kapiteln geht Robert Love auf alle wichtigen Subsysteme des Linux-Kernels ein und erklärt zum Beispiel wie der O(1)-Scheduler oder das virtuelle Dateisystem (VFS) funktionieren. Anhand der Verweise auf die entsprechenden Quelltextdateien kann sich der Leser parallel den Quelltext anschauen und so die Implementierung besser verstehen. Gefallen hat uns, das Robert Love häufig auch die Intention der Entwickler beschreibt, die hinter gewissen Design-Entscheidungen bei der Kernel-Entwicklung steht.

Im letzten Kapitel gibt der Autor allgemeine Tipps und Hinweise, wie die Linux-Community „tickt“ und was ein Einsteiger in die Kernel-Entwicklung beachten sollte. Dabei wird auch auf der Coding-Style erklärt und das Entwicklungsmodell von Linux genauer erklärt.

Stil

Über den Schreibstil von Robert Love kann man an dieser Stelle nicht viel sagen, da wir die deutsche Übersetzung des Buchs gelesen haben. Daraus lässt sich zumindest ein sehr lockerer Stil ablesen und genauso wie es Mac-Evangelisten gibt, so gibt es mit Robert Love mindestens einen Linux-Evangelisten. Schon auf den ersten Seiten lässt er keinen Zweifel daran, dass Linux das momentan beste Betriebssystem ist und über die elegantesten technischen Konzepte verfügt.

Der deutschen Übersetzung des Buchs muss man ansonsten ein schlechtes Zeugnis ausstellen. Wenn von „doppelt gelinkten Listen“ oder Interrupts die „disabled“ werden die Rede ist, dann merkt man, dass sich der Übersetzer wenig Mühe gegeben hat und wie im ersten Fall es sogar schafft den Sinn völlig zu entstellen. Von den genannten Beispielen finden sich in dem Buch unzählige und leider befinden sie sich damit in der Gesellschaft fast ebenso vieler Rechtschreibfehler. Da werden Verben groß und Substantive klein geschrieben, so dass man sich fragt, ob der Verlag bei diesem Buch die Qualitätskontrolle vergessen hat. Bislang kannte man solch schlampige Arbeit nicht aus dem Hause Addison-Wesley.

Fazit

Leider trübt beim Linux-Kernel-Handbuch die schlechte Qualität der Übersetzung die ansonsten sehr gute inhaltliche Qualität und führt damit zum Punktabzug. Dem Leser wird anhand der vielen Referenzen zum Linux-Quelltext ein sehr gutes Verständnis über den Aufbau und die Implementierung des Linux-Kernels vermittelt. Damit hat er die nötigen Grundlagen sich weiter in die für ihn bedeutsamen Subsysteme einzuarbeiten. Wer einen gut strukturierten Einblick in die Arbeitsweise des Linux-Kernels gewinnen will, für den ist das Linux-Kernel-Handbuch genau die richtige Lektüre. Aber auch für Entwickler, die Anpassungen am Linux-Kernel vornehmen, eignet sich das Buch gut als Nachschlagewerk, da die Kapitel inhaltlich unabhängig sind. Deshalb vergeben wir trotzdem 4 von 5 Macs.


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