Exklusiv: 25 Jahre Macintosh – Ein Interview mit Andy Hertzfeld

Redaktion Macnotes, den 23. Januar 2009
Fragerunde nach Welcome to Macintosh Vorführung
Fragerunde nach Welcome to Macintosh Vorführung, Bild: Macnotes

Während jeder Steve Jobs mit dem Mac verbindet, kennen nur wenige die Ingenieure, Programmierer und Designer hinter dem Macintosh-Projekt. Andy Hertzfeld, Jahrgang ’53, gehörte zum kleinen, von Jobs handverlesenen Kreis der Mitarbeiter, die Anfang der 80er Jahre die Arbeit am Mac begannen. Hertzfeld hatte wesentlichen Anteil an der Entwicklung des Mac OS. Seit 2005 arbeitet er bei Google. Zum 25. Geburtstag des Macintosh hatten wir Gelegenheit, mit ihm über damals und heute zu sprechen.

Macnotes:

Andy, vor 25 Jahren erblickte der Mac zum ersten Mal das Licht der Welt. Was bedeutet dieses Jubiläum für dich?

Andy Hertzfeld:

Es fällt schwer zu glauben, dass es schon 25 Jahre her ist. Ich finde es erstaunlich, dass sich der Macintosh nicht nur ein Vierteljahrhundert gehalten hat, sondern gerade in so guter Form ist wie nie und eine großartige Zukunft zu haben scheint.

Wir haben gehört, das Macintosh-Team von damals trifft sich am 24. Januar um den Geburtstag des Mac zu feiern. Wann habt ihr euch zuletzt gesehen? Wer organisiert die Feier? Wird es etwas formelles werden oder eher eine Art Klassentreffen?

Es wird eine private Feier und ich möchte sie nicht weniger privat machen, indem ich darüber spreche.

Nach der Vorführung von „Welcome to Macintosh“ im Rahmen der Macworld gab es diesen magischen Moment, als Ron Wayne, Steve Wozniak und du zusammen auf die Bühne kamt, um über den Macintosh-Kult zu sprechen. Es kommt selten vor, dass ein Produkt so eine treue Anhängerschaft findet, aber der Mac hat sie zweifellos. Was macht den Mac aus, dass er die Emotionen der Menschen so sehr anspricht?

Ich denke, es begann mit der Leidenschaft, mit der das ursprüngliche Mac-Team seine Arbeit machte. Wir alle liebten Computer und wir versuchten etwas zu erschaffen, das so gut war, wie nur möglich. Unser Enthusiasmus wurde von den Entwicklern und Kunden angenommen und weitergegeben. Außerdem gibt es nur sehr wenige richtig bahnbrechende Produkte, deshalb sind Menschen emotional verbunden mit den Produkten, die ihr Leben wirklich einfacher machen.

Zurück in die 80er Jahre: Wer oder was hat dich damals überzeugt, für Apple zu arbeiten? Wer hat dich eingestellt? Hättest du dir auch einen anderen Arbeitgeber im Silicon Valley vorstellen können, wie HP oder Microsoft?

Ich hatte im Januar 1978 einen Apple II gekauft und mich sofort in ihn verliebt. Es war das beste Gerät, das ich je gesehen hatte und ich war hingerissen von seinem kreativen Denkansatz. Es hat mich zu Apple gezogen wie eine Motte zum Licht.

Gab es während der Entwicklungsphase des Mac einen Moment in dem du dachtest, das Produkt würde es nie zur Marktreife schaffen? Es ist kein Geheimnis, dass es viele technische Herausforderungen gab, hinzu kamen die internen Machtkämpfe zwischen den Lisa-, Apple II- und Macintosh-Abteilungen bei Apple. Wie war die Atmosphäre damals?

Da muss ich dich auf mein Buch Buch „Revolution in the Valley“ verweisen bzw. die Website, aus dem es entstanden ist, folklore.org. Dort gibt es viele Geschichten, die die Atmosphäre damals beschreiben; vor allem „And another thing…“ beschreibt die Spannungen zwischen den Mac- und Lisa-Teams.

Es gab Momente, in denen ich dachte, dass wir nie liefern würden, z. B. als Bud (Bud Tribble, Leiter des Mac-Softwareteams; die Red.) uns verlassen hat, um sein Medizinstudium fortzusetzen, oder als wir ziemlich spät herausfanden, dass das Diskettenlaufwerk, das wir einsetzen wollten (Twiggy genannt), nicht wirklich funktionierte.

Was die technischen Herausforderungen angeht: Als Software-Entwickler musstest du mit Hardware-Einschränkungen kämpfen, vor allem dem knappen Arbeitsspeicher. Denkst du, dass dies aber auch geholfen hat, sich auf die wesentlichen Dinge zu konzentrieren? Immerhin war es die Einfachheit der Benutzeroberfläche, die den Mac zu etwas wirklich Besonderem gemacht hat.

Ich denke der begrenzte Arbeitsspeicher hat geholfen, die standardisierte Benutzeroberfläche zu etablieren, die eine der größten Errungenschaften des Mac war – alle Programme von Drittherstellern nutzten eine einheitliche Oberfläche. Da Arbeitsspeicher extrem knapp war, war es leichter, die Entwickler davon zu überzeugen, das Standard-Interface zu nutzen. Das war im ROM enthalten, so dass es keinen Arbeitsspeicher kostete – im Gegensatz zu einer programmspezifischen Oberfläche, die kostbaren Speicher gefressen hätte.

Damals waren Usability und Einfachheit wichtige Eigenschaften des Mac. Heute haben Computer eine unendliche Zahl von Funktionen, Programmen, Einsatzgebieten. Gibt es einen wesentlichen Unterschied zwischen damals und heute, wenn es darum geht, eine Benutzeroberfläche einfach und intuitiv zu gestalten?

Der wesentliche Unterschied ist, dass Computer mindestens zehntausende Mal leistungsstärker sind als vor 25 Jahren, deshalb sind viel mehr Dinge möglich. Vor diesem Hintergrund ist es schon ein wenig erstaunlich, dass das sich das Interface-Paradigma, das wir mit dem Mac eingeführt haben, immer noch behauptet. Nutzer erwarten heutzutage so viel mehr von ihren Computern, dass es schwierig ist, die Dinge einfach zu halten; aber der Mac macht das sicher besser als alle Alternativen.

Wir haben auch Susan Kare (Designerin der Macintosh-Icons und eine Highschool-Freundin von Hertzfeld; die Red.) um ein Gespräch gebeten, aber sie sagte, sie konzentriere sich lieber auf die Zukunft. Du dagegen hast Dutzende Anekdoten aus der damaligen Zeit auf folklore.org gesammelt. Was ist deine Lieblings-Geschichte?

Man kann sich auf die Zukunft konzentrieren und trotzdem ab und an einen Blick zurück werfen; sich der Vergangenheit bewusst zu sein kann sogar helfen, eine bessere Zukunft zu schaffen. Es hat mir Spaß gemacht, die Folklore-Geschichten aufzuschreiben und ich hoffe, dass die Leute sie gerne lesen. Meine persönlichen Favoriten sind viele der Burrell-Geschichten, wie „Are you gonna do it?“ oder „I Invented Burrell“, aber ich mag auch „Switcher“ und „The TImes They Are A-Changing“, die Geschichte der Erstvorstellung des Mac.

Es gibt das bekannte Job’sche Zitat, „Es ist besser, Pirat zu sein, als der Navy beizutreten“. Heute ist Apple selbst in vielerlei Hinsicht zur Navy geworden, beherrscht den Markt für digitale Musik und Smartphones und versucht, möglichst viele Aspekte davon zu kontrollieren. Denkst du, das könnte Innovation behindern? Was hältst du vom „Jailbreaken“ des iPhones, um eigene Software zu installieren?

Apple scheint hervorragende Produkte am Fließband zu produzieren, wie z. B. das iPhone, das viel von dem Spirit hat, der im Macintosh steckt – also müssen sie etwas richtig machen. Ich denke nicht, dass Steve immer noch ein Pirat sein möchte, aber er möchte immer noch wahnsinnig gute („insanely great“) Produkte machen.

Das „Jailbreaken“ von iPhones ist toll für Bastler, die das tun, um Spaß zu haben und zu lernen. Aber es ist schlecht für die meisten Nutzer, die einfach nur etwas haben wollen, das funktioniert. Es wird immer Experten gebe, die sich gegen die Beschränkungen einer Plattform wehren. Und Jailbreaken ermöglicht ihnen, zu tun, was sie wollen; aber es ist viel zu kompliziert und gefährlich für die meisten Nutzer.

Kann man die Unternehmenskultur von Apple und Google vergleichen?

Es gibt auffällige Ähnlichkeiten und Unterschiede. Beide Unternehmen verehren Kreativität und Innovation, aber bei Apple kommt sie eher von oben, während bei Google die einzelnen Ingenieure mehr Macht haben. Beide Unternehmen haben einen Hang zur Verschwiegenheit, aber Google hat keine Geheimnisse innerhalb der Firma, während die einzelnen Abteilungen bei Apple extrem voneinander abgeschottet sind.

Eine letzte Frage: Nutzt du auch heute noch einen Mac als deinen Hauptcomputer? Auf welche Programme würdest du nicht verzichten wollen?

Ja, der Mac ist immer noch mein Hauptcomputer, aber ich muss zugeben, dass ich die meiste Zeit im Browser verbringe (d.h. Safari). Aber ich nutze auch viele Programme, darunter iTunes, Photoshop, BBEdit, VLC und Handbrake.

Interview und Übersetzung: Hendrik Auf’mkolk, 23.01.2009
Zum Originaltext in Englisch
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