App Store-Piraterie: Kopierte Apps jucken Apple nicht

rj, den 14. Januar 2010
App Store - Abbildung
App Store, Bild: Apple

Alle paar Monate wird das Thema App-Piraterie ausgegraben und in der Regel mit extrapolierten Zahlen hinterfüttert, die erschreckende Verdienstausfälle bei Apple und Entwicklern durch gecrackte .ipa-Files suggerieren. Diesmal ist 24/7 Wall Street dran und errechnet App-Kopien im Wert von flotten 4,5 Milliarden Dollar, die auf gejailbreakten Geräten Apples laufen. Tendenz selbstredend steigend – aber immerhin, es ist zu erkennen, dass die Diskussion ein wenig versachlicht wird.

Diesen Eindruck gewinnt man erst gegen später – der Einstieg mit der „heimtückischen Macht“, die seit Dekaden auch schon Film- und Musikbranche heimsucht, lässt Böses erahnen. Auch faktisch leistet sich 24/7 Wall Street einige Patzer: so sei der Jailbreak gleichbedeutend mit dem Unlock, weiter seien bis vor kurzem zum Jailbreaken „Programmierkenntnisse“ benötigt worden. Es folgt ein (ordentlicher) Überblick über die Zahlen und Statistiken, die zum Thema verfügbar sind. Hier ergeben sich Widersprüche, die indes ignoriert werden – stattdessen mischt man sie recht munter auf.

Von einem Anteil der Jailbreak-iPhones von 10% wird ausgegangen, das ist recht hoch veranschlagt, die Zahl stützt sich auf die vier Millionen Besucher, die Jay Freeman monatlich bei Cydia verzeichnet. Auch die These, der Jailbreaker-Anteil steige wegen der einfacheren Tools permanent weiter, ist mutig oder zumindest höchst einseitig – mit Videofunktionalität und Push sind beispielsweise auch zwei gewichtige Gründe fürs Jailbreaken weggefallen.

Die Angaben der Entwickler zu den Pirateriezahlen hat man auch auf Macnotes schon gelesen – zwischen 75% und 95% sollen sich die Kopierquoten bei heimtelefonierenden Apps bewegen.

Um die 40% der Jailbreaker laden gecrackte .ipa-Files, so eine weitere Untersuchung. Zu guter Letzt werden für jede gekaufte App „vorsichtig“ 3 kopierte Versionen veranschlagt. Spätestens jetzt hätte man misstrauisch werden können, denn so kommt man auf ungefähr 3 Millionen kopierende Jailbreaker, die wiederum 1,5 Milliarden Paid-Apps kopiert haben sollen – also 500 Paid-Kopien pro User, kostenlose Programme oder Cydia-Apps noch nicht einmal inbegriffen. Über 31 iPhone-Screens voller Raubkopien entspräche der angenommene Durchschnittswert.

Damit ist man zwar in etwas unrealistischen Dimensionen angekommen, nun setzt aber auch langsam der Menschenverstand ein, der dann von immerhin 10% der Anwender ausging, die eine kopierte App gekauft hätten, wäre der (seit einiger Zeit mehr als umständliche) Weg über Installous und Konsorten versperrt. Die knapp 460 Millionen Dollar Gesamtschaden dürften dennoch deutlich übertrieben sein. Apples entgangener Anteil: 140 Millionen.

Die gewagte Kalkulation wird dennoch dazu verwendet, um als Fazit den mehr oder weniger deutlichen Vorwurf an Apple zu richten: das Unternehmen könne sich seine Ignoranz gegenüber dem „Problem“ erlauben, da es sein Geld mit Hardware mache, während die Entwickler in die Röhre schauen.

Begrüßenswert bei der aufgewärmten Debatte ist die Einsicht, dass kopiert nicht gleichzusetzen ist mit gekauft. Auch die unterlassene Pauschalisierung in Richtung Jailbreaker muss man anerkennen. Bleiben die vollkommen unstimmigen Zahlen und die haltlosen Schätzungen, bei denen man schlussendlich komplett in der Spekulation landet. Zu guter Letzt: das Thema scheint für Apple in der Tat nicht sonderlich hoch gehängt zu sein. Vorwerfen kann man das Apple jedoch kaum, im Gegenteil ist der unaufgeregte Umgang mehr als angemessen. Insgesamt also: nichts neues an der „Pirateriefront“: die üblichen Denk- und Rechenfehler, auch wenn die Versuche gewürdigt sein sollen, die Diskussion etwas differenzierter zu führen.


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