Apple-Titelstory im SPIEGEL: Lohnt sich der Kauf?

kg, den 26. April 2010
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Eine Frage, die man an dieser Stelle mit einem deutlichen „Nein“ beantworten kann – mit einem kleinen Aber dahinter. Der Spiegel beschäftigt sich in seiner aktuellen Titelgeschichte mit dem Kult um Apple, auf insgesamt 12 Seiten wird die Firmengeschichte, dabei gezielt auch die Vita von Steve Jobs beleuchtet. Was man erfährt, sind unzählige Details der Vergangenheit, konkrete Statements zu den Produkten und der Faszination Apple an sich bleiben aber aus, ebenso die Potentiale für die Zukunft.

Erst vor kurzem lieferte das TIME Magazine mit „Inside Steve’s iPad“ eine Titelstory, die sich genauer mit dem iPad und dem Phänomen Steve Jobs beschäftigte. Nachdem es Google schon mehrfach zu ausführlicher SPIEGEL-Berichterstattung gebracht hat, versucht sich das Magazin nun am Thema Apple und Apple-Kult – scheitert dabei aber schon im Ansatz. „Der iKult – Wie Apple die Welt verführt“, so der Titel der aktuellen Ausgabe, lässt annehmen, dass man sich beim Spiegel einmal genauer mit der Hardware, den Gründen für die Begeisterung der Nutzergemeinde, gesellschaftliche Folgen der Ausstattung von Menschen mit einfach zu bedienender Medien- und Kommunikationstechnologie sowie Apples Rolle als Innovationsmotor der Branche beschäftigt hat. Das ist aber weit gefehlt: Auf 12 Seiten beleuchtet der Spiegel insbesondere die Person Steve Jobs sowie einige Fakten der Vergangenheit und befragt dazu Personen wie Andy Hertzfeld, einen der ersten Angestellten bei Apple. Generell ein schöner Ansatz, der aber mit der eigentlichen Titelaussage nur wenig zu tun hat.

Als Einstieg gibt es eine kleine Abhandlung zum Thema iPad sowie Apples Erfolg mit iTunes, iPhone und Co. Was dort aber über das Apple-Tablet zur Sprache kommt, geht kaum über allgemeine Aussagen hinaus: „Es ist ein Fühlgerät. Es schmiegt sich an, ein Kuschelcomputer, kein Knopf zu viel. Es ist ein Fenster in die Welt der Medien, ein Fenster, mit dem wir reisen können, ein Fenster, das wir mit ins Bett nehmen wollen, auf die Couch, ein Buch zum Einschalten, und es verzaubert die Kunden“ – für den Spiegel zeigt sich das iPad als nicht viel mehr als ein Konsumgerät, andere und in der Summe entscheidende Features wie die Nutzung als Computerersatz oder das Potential für nicht rechneraffine Kundschaft lässt man geflissentlich aus. Damit ist der Spiegel zugegebenermaßen nicht alleine: Auch Jeff Jarvis und Miriam Meckel bezeichneten kürzlich in ihren Vorträgen auf der re:publica 2010 als reines Konsumgerät, es sei ein Rückschritt im Bezug auf seine Einsatzmöglichkeiten. Genau dort liegt aber der Fehler. Was viele bei ihren Statements vergessen ist, dass das iPad geradezu prädestiniert dazu ist, Inhalte zu erschaffen und Kommunikation zu führen – und zudem noch eine erfrischend geringe Einstiegshürde mitbringt.

Weiter geht die Geschichte mit Interviews. Befragt wurden Personen, die in Jobs‘ Werdegang eine wichtige Rolle gespielt haben: Steve Wozniak (Apple-Mitbegründer), Andy Hertzfeld (erster Entwickler bei Apple), aber auch Ex-Apple-Chef John Sculley, Ex-Apple-Designer Hartmut Esslinger und Pamela Kerwin, die in den 80ern Pixar-Vizepräsidentin war. Beleuchtet werden damit verschiedene Aspekte des Mythos Apple: Von den Hardwaregrundlagen im Jahr 1976 über die Softwarevisionen Anfang der Achtziger bis hin zu Gerätedesign und Jobs‘ Ideen für Pixar. Auch die internen Sicherheitsvorkehrungen innerhalb der Firma kommen zur Sprache.

Beim Lesen wird man nicht das Gefühl los, dass das reine Ziel des Artikels darin besteht, bereits bekannte Fakten mit einer Prise Negativstimmung zu würzen – Jobs‘ Skrupellosigkeit ist ein beliebtes Thema in allen Abschnitten. „Es gibt Tausende Firmen auf der Welt, die mobile Applikationen entwickeln – und wenn Apple mal eben beschließt, dass nur noch eine bestimmte Software dafür benutzt werden darf, dann entzieht Jobs Dutzenden der Nerds von heute die Grundlagen. Ist Apple nicht das, was einst IBM war? Wer wird in der nächsten Krise an der Seite einer Firma wie dieser stehen?“ Fakt ist, dass es gerade diese Dinge sind, die Apple in den letzten Jahren weit nach vorne gebracht haben. Die einen nennen es künstliche Verknappung, die anderen nennen es willkommene Bevormundung, die das Leben mit der Technik einfacher macht. Beispiel Flash: Es ist anzunehmen, dass das Plugin auf iPhone und iPad gerade in Sachen Performance und Batterielaufzeit einiges verschlechtern würde. Dieser Punkt ist es aber auch, der die Userexperience von Applegeräten so gut macht, und genau diese ist es wiederum, die die Faszination Apple für viele ausmacht. Dass sich Apple damit nicht nur im privaten Bereich, sondern auch in professionellen Bereichen wie Krankenhäusern immer mehr etablieren kann, spricht wohl für sich. Kritik an Apple ist oft genug berechtigt – auch hier findet sie gerne statt -, für eine Titelstory bleibt die Betrachtung jedoch enttäuschend einseitig.

Der Spiegel schließt den Artikel mit der Frage nach Apples Zukunft, eine Frage, die sich viele Experten ebenfalls schon gestellt haben. Tatsache ist, dass sich Apple verändern wird (und muss), sobald Steve Jobs bewusst oder ungewollt die Firma verlassen muss. Einen ersten Eindruck davon gab es bei Jobs‘ Auszeit Ende 2008: Es lief auch ohne ihn, es fehlte aber der charismatische Hauptdarsteller. Auch hier verpasst man jedoch den Ausblick auf die Potentiale der Apple-Produkte und insbesondere die Prägung der Techniknutzung in der Gesellschaft (und damit die Prägung der Gesellschaft selbst). Bei aller Kritik an geschlossenen Systemen: dass ausgerechnet der Spiegel den emanzipierenden Aspekt einfach zu bedienender (Kommunikations-)Technologie weitgehend unter den Tisch fallen lässt, hat einen schalen Beigeschmack.

Stattdessen konzentriert man sich gezielt auf Steve Jobs – vergisst dabei aber, was konkret die Magie an Apples Produkten ausmacht. Man kann durchaus geteilter Meinung sein, ob bestimmte Vorgehensweisen bei Apple nötig oder wünschenswert sind. Klar ist aber, dass es genügend Nutzer gibt, die die Hardware aus gutem Grund kaufen, und zwar nicht nur, weil sie irgendwie gut aussieht. Die Grundlage der Titelstory „Wie Apple die Welt verführt“ wird nur rudimentär angesprochen, alles verläuft sich in allgemeinen Aussagen zu iPod, iPhone und iPad. Interessant ist die Geschichte nur in Hinsicht auf die Interviews mit den Personen, die die Apple-Geschichte maßgeblich beeinflusst haben – ansonsten zeigt sich der Aufmacher als reine Faktensammlung. Wer genau dies sucht, dürfte von der Titelgeschichte nicht enttäuscht werden.


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