Google TV: Zukunft des Fernsehens oder nur eine Set-Top-Box unter vielen?

kg, den 21. Mai 2010

Google hat gestern zum Ende seiner Entwicklerkonferenz Google I/O Google TV vorgestellt, eine TV-Komplettlösung mit Mediacenter, Browser, On-Demand und Apps. Googles Plan: Man will das „beste aus beiden Welten“ zusammenführen: Web meets Fernsehen, sozusagen, eine Kombination aus Google-Software und Set-Top-Box-Hardware auf Intel-Basis. Wie erfolgreich kann Googles TV-Box aber werden?

Google hat bei der Vorstellung von Google TV aktuelle TV-Statistiken aufgeführt. Laut dem Marktforschungsunternehmen Nielsen schauen insgesamt 4 Milliarden Menschen weltweit fern, in den USA verbringt jeder Einwohner durchschnittlich fünf Stunden pro Tag vor der Mattscheibe. Eine immer größer werdende Anzahl an Nutzern bezieht seine Inhalte mittlerweile über mobile Endgeräte oder Computer – weil sie eben am Netz hängen und damit mehr Möglichkeiten bieten, man z. B. während einer laufenden Serie zusätzliche Informationen suchen und finden kann. Sitzt man vor dem Fernseher, fehlt dieser Kanal – es sei denn, man hat noch einen Laptop oder ein Handy vor sich. Genau aus dem Grund wurde Google TV aus dem Boden gestampft – eine Kombinationslösung mit Googles Android OS, einer Set-Top-Box basierend auf einem Intel Atom-Prozessor und direkter Anbindung an das Internet.

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Google TV: Die Software

Als Software wird ein Android OS zum Einsatz kommen, das Chrome OS ist allerdings auch nicht völlig ausgeschlossen. Der Griff zum Android OS könnte jedoch einen entscheidenden Vorteil mit sich bringen: Apps, die für Android-Mobilgeräte entwickelt wurden, können auch auf dem Google TV genutzt werden. Anfang kommenden Jahres soll es ein Google TV SDK sowie TV Web APIs geben, mit Hilfe derer Entwickler für das neue Gerät entwickeln können, Mitte 2011 soll das ganze dann Open Source werden. Neben klassischen Mediacenter-Funktionen, wie sie z. B. auch Apple TV bietet, wird Google TV über einen integrierten Browser verfügen, mit dem sich nicht nur die lokalen Inhalte, sondern auch das Netz durchsuchen lassen können soll. Ebenso soll ein digitaler Videorekorder enthalten sein, ähnlich der jetzt schon vorhandenen TiVo-Boxen. Der Vorteil davon ist, dass sich so zeitversetzt – und damit unabhängig vom eigentlichen Programm – Fernsehen nutzen lässt.

Hardware: Sony, Logitech und Intel

Hardwareseitig wird nicht nur eine Lösung angestrebt wie bei Apples Apple TV: Google arbeitet mit Sony und Logitech zusammen, die Google TV direkt in Fernseher, Blu-ray-Player integrieren wollen. Diese Geräte sollen im Herbst auf den Markt kommen, vorerst aber nur in den USA. Gleiches gilt für die ebenfalls geplanten TV-Boxen, die man in bestehende Heimunterhaltungssysteme mit Display integrieren kann. Ebenfalls mit von der Partie sein wird Intel: Sie liefern die Intel Atom-Prozessoren, die für Google TV nötig sind. Zusätzlich gibt es einen Grafikprozessor, diverse Anschlüsse für Zubehör (Bluetooth, Infrarot, HDMI, Ethernet, WiFi). Auch möglich wäre, dass man sein Android-Smartphone oder gar das Google-Tablet als Fernbedienung für Google TV nutzen könnte.

Die Kombination verschiedener Funktionen könnte die Basis für alle Aspekte des Entertainments sein, so zumindest stellt es Google im Vorschauvideo des Google TV vor. So könnte man während dem Anschauen einer Serie über den integrierten Chrome-Browser zusätzliche Serieninformationen abrufen, und über Twitter, Facebook oder andere Kanäle seine Freunde darüber informieren, was man sich gerade ansieht. Ähnlich wie beim Apple TV kann man Fotos, eigene Videos, Filme und Serien direkt auf dem Google TV nutzen.

On-Demand, Netzanbindung, Zielgruppe

Wie viel Potential steckt nun allerdings in Google TV? Google scheint sich vorerst rein auf den amerikanischen Markt beschränken zu wollen, wo On-Demand-Inhalte, TV-Abonnements und Co. ohnehin schon weit verbreitet sind und sich jeder Fernsehkonsument genau die Inhalte aussucht, die er haben will. Google braucht Verträge mit Kabelnetzbetreibern bzw. den jeweiligen Sendern, um Angebote ausliefern zu können. Zu weiten Teilen wird dies von DISH übernommen, die in den USA Satellitenfernsehen anbieten. Über DISH kann der Kunde sich die jeweils gewünschten Sender nach Hause holen, dies würde auch genau zu dem Konzept einer Google-Set-Top-Box passen würde: Gezielte Auswahl statt Berieselung mit vorgefertigten Sendeplänen. Mancher Content steht aber auch kostenlos zur Verfügung: Beim Anbieter Boxee überlegt man bereits, eine spezielle Android-App zu entwickeln, auch Netflix und Hulu könnten als Quellen bereitstehen. Ein Zugriff darauf könnte direkt über den Browser bzw. die integrierte Gerätesuche stattfinden.

Außerdem muss man sich die Frage stellen, welche Zielgruppe Google erreichen möchte. Wer nicht Computer-affin ist, der dürfte auch mit dem Konzept Probleme haben, das Google vorgestellt hat, denn man braucht entweder eine Fernbedienung, mit der die Eingabe mühselig ist, oder eine Tastatur, mit der so mancher Nutzer ebenso Probleme haben wird. Bisher scheint der durchschnittliche TV-Zuschauer außerdem kein sonderliches Interesse daran zu haben, den Fernseher mit den Optionen des Internets zu koppeln, anders lässt sich der geringe Marktanteil an netzverbundenen Set-Top-Boxen nicht erklären. Das iPad hat es im Bereich der Computer bereits vorgemacht: Ein einfaches Userinterface, das mit einer simplen Benutzerführung auch technikfremden Personen zuträglich ist. Mit Android ließe sich das durchaus abbilden, zum Beispiel über eine Touch-Fernbedienung für Google TV (egal ob nun Smartphone oder ein Google-Tablet) statt einer normalen Remote, dennoch wird dies nicht alle Nutzungshemmungen verschwinden lassen können.

Google TV: Konkurrenz für Apple TV?

Google TV geht als klarer Mitbewerber von Apple TV ins Rennen – bietet mit integriertem Browser und möglicherweise auf den Apps eine Grundlage, die bei Apple noch nicht verfügbar ist. Und obwohl wenn man in Cupertino den Apple TV als „Hobby“ bezeichnet, geht die Entwicklung im Hintergrund stetig weiter: Eine Anbindung an den App Store wäre durchaus möglich, außerdem steht auch die Nutzung des Apple TV als Spielkonsole im Raum – ein Feature, das dem Apple TV einen klaren Vorsprung bescheren könnte.

Eine Kostenfrage

Zu guter Letzt wäre außerdem noch die Kostenfrage zu klären: Wird tatsächlich ein Intel Atom-Prozessor im Google TV zum Einsatz kommen, könnte dies den Preis für die Box bzw. die integrierte Technik in Displays hochtreiben. Konkrete Preisvorstellungen wollten weder Google, noch Logitech, Sony oder DISH preisgeben. Bei einem anderen Anbieter für Set-Top-Boxen, Roku, konnten die Verkäufe erst nach einer Preissenkung auf $100 gesteigert werden – Google TV dürfte ein vielfaches davon kosten. Zumindest hierzulande könnte dies ein Grund gegen den Kauf sein: Festplattenreceiver gibt es je nach Ausstattung bereits für rund 100€.


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