Kolumne: From Hell

rj, den 28. Mai 2010

Kaum ist das iPad in Deutschland angekommen, schon ist es Mainstream. Wenn schon der iPad-Jailbreak im Fernsehen kommt, muss man sich Spannenderem zuwenden. iPad-Verboten vielleicht? iPad-Porno-Ads? iPad-induzierten Selbstmorden? Oder doch nochmals der iPad-Synchronisationssoftware iTunes, die, wie ich nicht müde werde zu behaupten, direkt aus der Hölle kommt?

Die Sonne scheint, das Leben ist schön. Ich danke Gott für jeden Tag, an dem ich die Vöglein zwitschern höre. Diesen Satz hackte mir eine gewisse Bastard Missi from Hell irgendwann mal in mein unzureichend gegen sie abgesichertes Blog, und der fiel mir nun wieder ein, nachdem ich mich für obenstehenden Kolumnentitel entschieden hatte. An sich ist alles gut und selbst Steve Jobs will, dass ich glücklich bin.

Wer will die Harmonie stören? Frank Schirrmacher, selbsternannter, dahergelaufener, alternder Warner in der Wüste. Sollte man Schirrmacher totschweigen? Ihn vielleicht, den Rolling Stone eher weniger. Der ist sichtbar stolz darauf, einem faselnden Technik-Analphabeten eine Plattform zu geben.

„Der Bestseller-Autor bezeichnet das iPad wegen der Geschlossenheit des Systems als eine ‚Insel im Strom des Geschehens‘. Er warnt: ‚Es könnte durchaus sein, dass Apple versucht, der autoritäre Herrscher auf dieser Insel zu werden.'“

ZOMFG, Schirrmacher, schwerer Fall von Metapheritis und Konjunktivsucht? Aber statt Verwirrnis abgestandene Wahrheiten, man mags als Fortschritt durchgehen lassen. In anderen Medien sieht man den nicht, und weil ich gerade so schön in Fahrt bin, die Fortsetzung der Kritik von letztens. Nach SpOn machts die taz in Sachen Foxconn-Selbstmorde und Apples Mitverantwortung für tote iPad-Montierer in Shenzen nicht unter der Titelseite. taz bashen ist billig, aber ich kann es mir nicht verkneifen, noch die taz-Anzeige mit dieser vom Blut ausgebeuteter chinesischer Arbeiter triefenden Hardware zu verewigen, welche da mitten in ihrem Applebash aufscheint:

Back to Topic. 300.000 Beschäftigte, zehn Selbstmorde, dass damit die Selbstmordquote bei Foxconn noch unter dem chinesischen Durchschnitt liegt, war wohl zu schwer zum Recherchieren (oder eben strategisch unpassende Information). Der von mir ansonsten sehr geschätzte Thomas Pany entblödet sich gar, auf Telepolis mit der „iMord-Fabrik“ zu titeln.

Hallo, Medien. Das iPad ist da. Es gibt genug zum dran rummäkeln. Was, das zeige ich euch gleich. Die Produktionsbedingungen aber, die sinds tendenziell nicht. Wenn man da einigermaßen glaubwürdig anprangern mag, muss man zumindest andere Unternehmen und Länder erwähnen, die angeprangerte Situation in einen Kontext setzen, was auch immer. Es genügt nicht, auf ein hippes Thema mit billiger und verdammt schlecht bzw. nicht recherchiertem Onprangering aufzuspringen.

Genug Apple verteidigt. Wir kommen zu den Aufregern.

Warum nicht die Kolumnentitelinspiration weitertreiben und mit „Dear Boss“ die gewünschte Mail an Steve beginnen? Die schrieb ich nun nicht, die im offenen Brief angekündigte Antwortmail an Apple Europe hingegen schon. Zurück kam nichts. Alles scheint gut zu sein. Vielleicht sollte ich es direkt nochmal mit einem offenen Brief versuchen:

Hallo, Apple.

Als ich letztens ein iPad neu einrichtete, fragte mich iTunes (die Software aus der Hölle), ob ich das „iPad 3G 32 GB“ aus einem Backup wiederherstellen wolle. Ich wollte, woraufhin mir iTunes alle Apps von „Richies iPhone“ plus komplette iTunes-Tracksammlung auf das iPad aufspielte.
Es kommt bei einem aufgeblasenen Monster wie iTunes echt nicht mehr drauf an – könnt ihr da bitte noch eine ordentliche Backupverwaltung implementieren? Es gibt Leute mit mehreren Apple-Mobilgeräten, ehrlich.

Beste Grüße,
Richie.

Mal sehen, obs was bringt. Bis dahin könnte man schauen, was diesbezüglich im Jailbreaklager ermöglicht wird, aber (ich sollte das jetzt nicht sagen, weil es öffentlich meine Kompetenz schmälert) ich kriegte Spirit auf dem 32GB-3G nicht richtig an den Start. Wahrscheinlich lag es an iTunes.

Dabei ist iPad-Jailbreaking längst nichts besonderes mehr. In den US of A kommt das gar schon im Fernsehen. Jailbreaken scheint auch dort öffentlich langsam OK zu sein, mit dem iPad ins Yankee-Stadion zu gehen, ist hingegen verboten. Mitnichten ist also Apple die einzige „Insel im Strom des Geschehens“, auch die Sportstadien sollte sich Schirrmacher gelegentlich mal näher ansehen. Ich rede da ja gerne ganz unabfällig vom dort stattfindenden faschistoiden Untergehen in der Massenseele, aber das ist zugegebenermaßen eine eher unernstgemeinte Redensart, mit der ich einen leider-nun-Ex-Kollegen gern auf die Palme brachte. Schlimmer ist ja an sich nur die Vorstellung, dass nur 5% der Deutschen ein WM-Endspiel mit deutscher Beteiligung für einen zünftigen Geschlechtsverkehr sausen lassen würden. Die Hölle, das sind die anderen. Oder die anderen Newsticker. Ich bin abgeschwiffen, wo war ich? Verbote und Porn, richtig.

Doch, Dave, das geht. Alles mögliche, was Steve nicht will. Nur Porn will auch Saurik nicht, da gibts aber glücklicherweise HTML 5 für. Wer sich eher mit Bildern auf toten Bäumen anfreunden mag, für den gibt es an dieser Stelle die Überleitung zu Saucy Jack. Saucy Jack heißt im konkreten Fall Johannes P. Osterhoff, und wir verdanken ihm folgenden iPad-Adbust in Berlin.

So. Porn, check. Jack the Ripper, check. iTunes beschimpft, check und Fussball gedisst, dito. Bleibt noch der harmlose Verweis auf den iPhone-gesteuerten Colaautomaten mit passender App und ein allseits entspanntes Wochenende mit viel Spaß am Gerät zu wünschen.

(Disclaimer: Die Schirrmacher-Beschimpfbezeichnungen sind bei Max Goldt geklaut.)


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