iPhone 4, festivaltauglich? Der Test auf dem M’era Luna 2010

rj, den 9. August 2010
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Staubig oder nass, kein Strom, kein WLan, aber viel zu knipsen, filmen und mitzuteilen: ein Festival stellt nochmals andere Ansprüche an ein Smartphone, wenn man nicht nur vor Ort die Stimmung und die Musik geniessen will, sondern noch mit der Welt in Kontakt bleiben und ihr das eine oder andere mitteilen mag. Auf dem M’era Luna war das iPhone 4 ein guter Begleiter, der jedoch auch an seine Grenzen stieß. Ein Erfahrungsbericht für Festivalbesucher mit Apple-Gerät.

Zwei Tage ohne Strom, und das bei den iPhone-Akkulaufzeiten: nur eine der zahlreichen Einschränkungen, mit denen der Festivalbesucher zu kämpfen hat. Das M’era Luna 2010 in Hildesheim war einerseits eine großartige Veranstaltung, andererseits auch ein wilkommener Anlass, das iPhone 4 unter etwas verschärften Bedingungen zu prüfen. Akku, WLAN/Internet, Kamera/Video und die verschiedenen Wirrnisse eines Festivals mit Hightech in der Tasche sollen im folgenden näher betrachtet werden.

Ausrüstung und Rahmenbedingungen

Vor Ort war ein iPhone 4 mit einem Bumper – empfehlenswert ist für den rauhen Einsatzort natürlich auch eine Schutzfolie oder, wenn verfügbar, eine Otterbox. Für Rechner-Anbindung sorgte MyWi (Jailbreak vonnöten), alternativ tuts natürlich Tethering. Rechnertechnisch war ein Ideapad-Netbook mit Drei-Zellen-Akku und aktuellem Ubuntu dabei, für (bei Licht betrachtet symbolische) Sicherheit sorgte ein Kensington-Lock-Imitat. Das „unauffällige“ Abgreifen eines Netbooks aus einem Zelt wird mit angehängtem Rucksack und Motorradhelm zumindest erschwert. Unter solchen Umständen ein MacBook einzupacken, kann an dieser Stelle natürlich nicht empfohlen werden.

Auf dem M’era Luna-Festivalgelände in Hildesheim ist mit O2 quasi überall 3G/UMTS verfügbar. Die Netze wirkten gelegentlich leicht überlastet, der Empfang selbst war jedoch kein Problem. Das Einbuchen beim Switch auf 3G dauerte gelegentlich länger, funktionierte aber immer spätestens innerhalb weniger Minuten.

Akkulaufzeit, Akkuladen und Energiesparen

Das größte Problem: begrenzte Akkuressourcen und keine Lademöglichkeit. SBSettings ermöglichte ein rabiates Energiesparprogramm, bei dem alle Stromfresser immer komplett deaktiviert blieben, außer, wenn sie benötigt werden. Zwei Zwischenladepausen am Netbook retteten das iPhone über zwei Tage Festival und stellten die Motorrad-Beschallung auf der Heimfahrt sicher.

Kommuniziert man mit Freunden per SMS die üblichen „Ich bin rechts vorn neben der Bühne, wo bist du?“-Infos oder nutzt Push via Twitter und Konsorten, sollte die Datenverbindung im Gegensatz zum hier eingestellten Extremszenario natürlich aktiv bleiben.

Fazit in Sachen Akku: Mit einer Notladequelle ist ein Festival gut zu überstehen, auch wenn man ein paar Videos aufnimmt, twittert, SMSt und telefoniert. Spätestens beim Websurfen via WLAN wird der Stromhunger etwas problematisch, Tetherer sind diesbezüglich besser bedient. Zu guter Letzt ist nicht jede Notladestation so klein wie ein Dreizellen-Netbook-Akku. Dieser stößt seinerseits überdies an zwei Grenzen: einmal, wenn man nachts noch ein paar Seiten E-Book lesen muss, um runterzukommen und einschlafen zu können, verbraucht man selbstredend auch Strom. Weiter lädt das Ubuntu-Netbook ein angeschlossenes iPhone nur, wenn es eingeschaltet ist – der Stromverbrauch beim reinen Laden ist damit natürlich auch sehr hoch.

Internet

Aus bereits erwähnten Gründen kam MyWi zum Einsatz. Hat man Strom, aber kein Netz, ist MyWi eine Killerapplikation für Jailbreaker, da sie sowohl Tethering via USB wie auch die Nutzung des iPhone als mobilen WiFi-Hotspot ermöglicht. 20 Dollar sind happig, verglichen mit den Preisen dedizierter UMTS/WiFi-Hotspots aber kaum zu schlagen. Überdies kann man Kumpels ohne Netz schnell mit WLAN aushelfen. Das Problem auch hier wieder: Akkulaufzeit. Tethern braucht weniger Strom, funktionierte aber mit dem verwendeten Netbook nicht. Für ein entspanntes Bloggen und Bildbearbeiten zwischenrein reichten im vorgestellten Szenario die Akku-Kapazitäten definitiv nicht aus.

Ansonsten war die Netzabdeckung gut, schnell und zuverlässig, nur das Einbuchen auf UMTS sorgte gelegentlich für kleinere Verzögerungen. Spontan zwischendurch Bilder knipsen und twittern ist bekanntermaßen kein Problem, auch und gerade auf einem Festival nicht.

Fotografie, Kamera, Video und Audio

Unter guten (Licht-)Umständen ist die Kamera des iPhone 4 vollkommen in Ordnung. Schnell ausgepackt, angeworfen und geknipst: Schnelle Verfügbarkeit ist ein gern unterschätztes Kriterium.

Tiefenschärfe ist prima, bis zu einem gewissen Maß steckt die Kamera auch höhere Kontraste weg, spätestens beim Reinleuchten eines Scheinwerfers steigt sie aber aus. Im Dunkeln braucht man eine ruhige Hand und ein Gefühl für den richtigen Moment, dazu kommt die unvermeidliche Auslöseverzögerung. Bei den Bildern des Sisters of Mercy-Gigs gab es um die 70% Ausschuss, wobei diese auch unter erschwerten Bedingungen (Gedränge etc.) entstanden.

Fundamentale These: der Digitalzoom des iPhone 4 ist vollkommen überflüssig. Man ist praktisch immer besser bedient, wenn man auf Normalstufe knipst und später den Ausschnitt vergrößert. Dass bei dgitalem Zoom keine höhere Auflösung des Ausschnitts zustandekommt, ist klar – aber auch in Sachen Belichtung oder Schärfeneinstellung konnten wir absolut keine Verbesserung feststellen, nur mehr Umstände angesichts der Zoom-Einstellerei.

Videos nimmt das iPhone 4 auch klaglos auf, hier wiederum wäre der Zoom wegen ohnehin niedrigerer Videoauflösung gelegentlich praktisch gewesen, steht jedoch nicht zur Verfügung.

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Über den Ton braucht man wenig Worte zu verlieren: man hört, was passiert. Die Bässe sind komplett weg. Keine Kernkompetenz einer Smartphone-Kamera, aber zum Vermitteln eines Eindrucks des sehr guten Sounds auf dem Mera schlicht ungeeignet.

Allgemeine Tauglichkeit

Formattechnisch ist das iPhone natürlich prima und immer dabei. Der Touchscreen scheint mir auf einem Festival Hardwaretastaturen überlegen, vor allem, wenns staubt. Statt versiffter Tastaturen hat man bei gutem Wetter Sonnencremeschmierer auf dem Bildschirm – was bei niedriger Bildschirmhelligkeit und Tageslicht durchaus nervig werden kann. Hier gilt, dass man einen Tod wohl sterben muss.

Und das Fazit?

Wer mit einem Classic oder 3G unterwegs war, wird am iPhone 4 unter den beschriebenen Umständen große Freude haben. An seine Grenzen stößt das iPhone 4 natürlich auch – wer bessere Bilder und längere Netzanbindung auch via Rechner haben will, ist mit einer Digicam sowie UMTS-Stick am Rechner natürlich besser gerüstet. Nachteil: Mehr (klaubares) Gerät vor Ort, und einige der potentiellen praktischen Anwendungszwecke des Smartphones auf Festivals (Ortung/Geolocation beispielsweise) hatten wir gar nicht ausprobiert, scheinen aber durchaus nützlich. Wer diese Smartphone-Features nicht braucht, wird natürlich auch mit Laptop/UMTS glücklich und kann den alten Nokia-Knochen für Telefon/SMS einpacken.


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