Euroweb – Anbieter hat Domain Nerdcore pfänden lassen

Alexander Trust, den 18. Januar 2011

Schon 2006 schrieb der Blogger René Walter in seinem Nerdcore-Blog schlecht über die Web-Design-Angebote der Firma Euroweb aus Düsseldorf. Im Jahr 2010 wurde er dann für dies Vorgehen abgemahnt. Euroweb ließ nun die Domain pfänden und will sie jetzt versteigern und den Erlös Wikipedia und freischreiber e.V. spenden.

Es klingt grotesk, dass die Firma Euroweb den Erlös der angekündigten aber noch ausstehenden Domain-Versteigerung von Nerdcore.de ausgerechnet in Teilen zu 50 Prozent auch dem freischreiber e.V. spenden möchte. Dabei handelt es sich um einen Berufsverband freier Journalisten. Der Streit von René Walter und Euroweb allerdings entbrannte genau um das geschriebene Wort, das der Blogger zu veröffentlichen pflegte. Walter kritisierte die Webdesign-Angebote der Düsseldorfer Firma Euroweb als „minderwertig“ und tätigte in dem Blogbeitrag noch weitere Aussagen über das Angebot der Firma.

Anders als mancherorts zu lesen, ist die Äußerung des Wortes „Arschgeigen“ nicht Grund für die später gerichtliche Auseinandersetzung gewesen, vgl. dazu auch den teilweisen Scan eines Gerichtsbeschlusses des LG Berlin, den Netzpolitik bereitstellt. Der Stein des Anstoßes stammt übrigens aus dem Jahr 2006.

Auf Abmahnung folgte Pfändung

Walter erhielt in der Folge (Juni 2010) eine Abmahnung, die er allerdings ignorierte. Walter gab nun öffentlich zu, dass er sein Verhalten an dieser Stelle bereut oder es zumindest ungeschickt war, nicht zu reagieren. Zur mündlichen Verhandlung beim LG Berlin ist René Walter offenbar ebenfalls nicht erschienen. Die Urteilsverkündung fand bereits Ende August 2010 statt. Im September erhielt Walter schließlich einen Beschluss über die Kostenfestsetzung. Im Dezember dann wurde der Pfändungsbescheid vom Amtsgericht Berlin-Tiergarten übersandt. Euroweb ließ die Domain pfänden und möchte sie nun versteigern und den Erlös zu 50 Prozent Wikipedia und zu weiteren 50 Prozent dem freischreiber e.V. zukommen lassen. Den hier wiedergegebenen, zeitlichen Rahmen hatte Euroweb (vgl. Kommentare bei Netzpolitik) so dargestellt. Zuletzt wurde am 17. Januar festgestellt, dass René Walter der Forderung auf Zahlung nicht vollständig nachgekommen sei.

Auch wird an manchen Stellen im Web ein alter Heise-Artikel aus dem Jahr 2004 verlinkt, in dem die Pfändung von Domains thematisiert wird. Grundsätzlich ist diese eine zumutbare und rechtliche Handhabe. Gleichwie heißt es in dem Heise-Artikel, die Pfändung darf dar nicht erfolgen, wenn der Gepfändete mit der über die Domain erreichbare Website seinen Lebensunterhalt verdient. Die Kölner Kanzlei Berger, die Euroweb in dieser Angelegenheit offenbar vertritt, hat ebenfalls auf ihren Webseiten dargelegt, wie es sich rechtlich mit der Pfändung und der Pfändbarkeit von Domains im Allgemeinen verhält.

Wir wollen euer Geld nicht

Wie unter Nerdcore seit heute zu lesen ist, möchte Euroweb die Domain versteigern und den Erlös weiterreichen an Wikipedia und den freischreiber e.V. Die Wikipedianer möchten die Spenden von Euroweb nicht annehmen. Es entsteht derzeit dort so etwas wie eine virtuelle Unterschriftenliste. Auf der Webseite des Vereins freischreiber findet sich aktuell ebenfalls ein Beitrag, in dem dargelegt wird, dass man dankend ablehnen würde, sofern Euroweb den Erlös der Versteigerung spenden wolle.

Und noch ist auch gar nicht geklärt, ob Euroweb den Vorgang wie geplant wird realisieren können. René Walter ist sich jedenfalls sicher, dass der Domain-Wert von Nerdcore deutlich über dem Streitwert mit Euroweb liegt. Einnahmen, die darüber hinaus gehen, dürfte Euroweb gar nicht spenden, sondern müsste sie wohl René Walter zukommen lassen, erläutert Anwalt Udo Vetter in seinem Blog.

Shitstorm

Fans und Leser des Nerdcore-Blogs, haben im Anschluss an die Bekanntmachung die Kanäle von Social Media genutzt, um ihrem Ärger über diese Aktion Luft zu machen. Auch deshalb, weil René Walter selbst via Twitter sehr selbstbewusst auftritt und in einem Mini-Interview mit den Blogrebellen indirekt urteilt, dass Euroweb sich der Tragweite nicht bewusst ist. Er spricht dort davon, dass am Ende von ihnen (Euroweb, d. Red.) nur noch „Geschnetzeltes“ über bleiben soll.

Via Facebook und Twitter, aber auch auf diversen Blogs werden seit der Übertragung der Domain nerdcore.de auf die Euroweb Group eine Vielzahl vor allem meinungsbetonter Beiträge formuliert. Doch auch auf Nerdcore.de selbst wird bereits fleißig kommentiert. Dort hatte die Euroweb Group heute eine Seite aufgeschaltet, in der ein kurzes Statement über die Geschehnisse der jüngsten Vergangenheit aus Sicht von Euroweb informiert und auch die kommende Versteigerung ankündigte.

Altlasten

Vor allem aber journalistische Erzeugnisse z. B. des MDR oder WDR, die über die Praktiken von Euroweb informierten, werden nun als Videos viral gestreut und immer wieder verlinkt. Die Verträge der Firma Euroweb, so urteilte das Bundesverfassungsgericht, seien nur Werkverträge, die jederzeit ohne Angabe von Gründen gekündigt werden könnten.

Update vom 08.07.2021: Dieser Beitrag enthielt ein YouTube-Video, das es heute so nicht mehr gibt. Deshalb haben wir es entfernt.


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