Kolumne: Rumble in the Jungle

rj, den 12. Februar 2011

Nokia und Microsoft, HP, Palm und WebOS, einen Wochenrückblick könnte man heute auch alleine mit den Firmennamen bestreiten, aber hey: Darwin hat Geburtstag, und damit gemeint ist nicht das Open Source-Fundament von Mac OS X/iOS, sondern dessen Namensgeber. Nach der Feier zu den Dschungelkämpfen im Smartphonesektor und auch anderswo. Vorher aber: evolutionär verbesserter Kuchen!

Und für die weniger abstinenten Leser auch was hochprozentiges, denn im Macnotes-Fußende waren schnapswürdige Zahlen zu sehen.

Aber zu den Geburtstagen. Angesichts des erschreckenden Rollbacks der Wissensfeindlichkeit lohnt die Rückbesinnung auf Darwin durchaus. Das Angenehme mit dem Nützlichen, Schmackhaften und Schönen verbindet der heutige Bake a Cake for Darwin-Contest, in dessen Rahmen kulinarische Darwin-Hommagen gebacken, geknipst, geflickrt und hoffentlich auch gegessen werden.

Oft genug wird Darwin aufs „Survival of the Fittest“ reduziert, dass es auch die Unfitteren durchaus zu Größe bringen, zeigt die Elefantenhochzeit dieser Woche. Die Intel-Windows-Kooperation führte zum schönen „Wintel“-Wort, Nokia plus Microsoft ergibt leider nur „Nosoft“. ob der Satz, der im Twitter letztens vorbei rauschte, visionär oder (zu) pessimistisch ist, sei dahingestellt.

Rein bauchgefühlt wünsche ich dem reanimierten WebOS nach dem Relaunch durch HP mehr Glück. Bleibt zu hoffen, dass die Konkurrenz jetzt auch Druck macht, denn auf anderen Geschäftsfeldern mussten wir diese Woche Abschied nehmen von einem der eleganter gedachten Apple-Herausforderer. Weitgehend sang- und klanglos nahm das als Macbook Air-Gegenpart gedachte Dell Adamo seinen Abschied. Ruhe in Frieden, dünnes Ding. Mit Apple ist man in vielerlei Hinsicht offenbar doch besser dran, auch wenn ich kein Freund des MBA bin und auch einige andere restriktivere Wesenszüge Apples bekanntermaßen nicht mag. Schlimmer geht aber immer: ein ernstes Wort an einen anderen namhaften Hersteller.

Sony, ich bin ärgerlich! An sich vermute ich ja, dass eure YouTube-Sperrscripte Amok laufen und das niemand bemerkt, weil alle bei euch damit beschäftigt sind, jedes Auftauchen der Zeichenfolge 46DCEAD317FE45D80923EB97E4956410D4CDB2C2 aus dem Netz zu klagen. Euer Kleinkrieg mit Geohot ist ja bereits albern, aber wisst ihr, was noch alberner ist?

Gesperrte YouTube-Anleitungsvideos von Unter-Minutenlänge, die hier nicht zu betrachten sind, weil vielleicht irgendwer im Hintergrund La Paloma pfeift. Ernsthaft: Eure Mucke interessiert hier niemand, sondern eben Homescreen (Videoinhalt: die App schaltet immer auf den Startscreen, wenn man eine iPhone-App schließt). Ebenso wenig will hier jemand Sony-Musik hören, sondern erfahren, wie die maps.app zur Turn By Turn-Navi aufgebohrt werden kann. Es sind App-Demos, verdammt! Schaltet das wieder frei, sperrt nur die Tonspur, whatever, aber hört auf mit dem Kindergarten hier. Danke.

Aber nochmal zurück zu Nokia und Microsoft. Gestern zitierte ich mit einem nicht zu leugnenden Anflug von Häme, dass zwei Truthähne noch keinen Adler machen, aber um mal etwas geradezurücken: die Rolle Nokias kann man in vielerlei Hinsicht gar nicht hoch genug einschätzen, was nicht nur die Mobiltechnologie, sondern einfach die Weltgesellschaft als solche betrifft. Oft genug, auch hier und auch von mir wurde und wird das iPhone als technologischer Vorreiter und damit auch sozial prägendes Gadget gefeiert, das unser Arbeiten, Sozialleben, Verhalten, schlicht unsere Gesellschaft verändert.

Bei alledem vergisst man gern, dass bei allem „going mobile“, Geolocation, Social Networks und der weiteren Buzzwords noch sind, ein anderes Handy weitaus größeren Impact und insbesondere weitaus größere Verbreitung gefunden hat. Über 250 Millionen Nutzer verdanken der „AK 47 unter den Handys“ ihre Möglichkeit zur Telekommunikation. Danke dafür, Nokia – der Knochen hier hat die Welt verändert, wahrscheinlich weit mehr, als die iPhones aller bisheriger Generationen zusammen. Kommunikation in Entwicklungsländern wäre ohne die Handys vom Schlage eines Nokia 1100 weit vom heutigen Niveau entfernt, die Situation der Menschen dort um einiges trister und schlechter.

Wohl auch in Ägypten, wo sich die Menschen momentan aber mit der guten alten Straße behelfen, wollen sie ihrem Protest gegen das Mubarak-Regime Ausdruck verleihen. Die Hacker denken nach dem Druck auf den Internet-Killswitch über die Möglichkeiten zur handgestrickten ITK-Infrastruktur nach, zahlreiche Individuen und Organisationen halfen mit Kommunikationskanälen aus, und seitens der Politik des freien Westens schaffte es noch niemand, die Verblüffung über nicht selbst herbeigebombte Demokratiebestrebungen zu überwinden und statt „unserem Bastard“ die sonst gerne vorgetragenen freiheitlichen Werte hochzuhalten und die Menschen zu unterstützen, die dort aktuell oft genug unter Lebensgefahr für selbige kämpfen. Am Rande bemerkt: Google warf „Speak to Tweet“ in den Ring, für Android wird eine SMS-Encryption für die nach wie vor unzuverlässigen Mobilprovider gebaut, im iOS/Apple-Lager bleibt’s ruhig. Muss das so sein?

Mit dem Satz, dass in Afrika die Kinder verhungern, kann man bekanntermaßen immer den Spaß am Gerät zerstören, trotz – oder wegen – dem ganzen Frust, der sich hier auftürmt, zum Schluss aber noch Thinkgeek. Die haben nicht nur die iPad-Joysticks seit kurzem im Sortiment, sondern nun auch eine Weckerentwicklung, die nur noch mit dem Begriff der puren, reinen Bosheit treffend beschrieben ist: Nach Eingabe der eigenen Bankdaten kann der Wecker so programmiert werden, dass jeder Druck auf die Schlummertaste einen fixen Betrag an eine verhasste Organisation überweist.

Und um nicht mit derart diabolischen Schöpfungen kranker Hirne ins Wochenende starten zu müssen: die iPhone Slot Machine.

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Schönes Wochenende.


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