Fremdgegangen: Windows Phone 7 im Mac-Ökosystem – besser, als man denkt

Stefan Keller, den 10. August 2011

Obwohl wir bei Macnotes an und für sich eigentlich eher den Spielzeugen aus Cupertino zugeneigt sind, haben wir uns mal angesehen, was die Konkurrenz am Smartphone-Markt so zu bieten hat. Als Ausgangserfahrung dient uns hierbei die jahrelange Arbeit mit diversen Iterationen des iPhone sowie ein halbes Jahr der Benutzung von Android. Zugegebenermaßen ist ein abschließendes Urteil noch nicht ganz fair, denn die ersten 24 Stunden des Selbstversuchs laufen noch, aber den ersten Eindruck fassen wir für euch zusammen. Dabei wollen wir uns vor allem auf das Zusammenspiel mit dem Mac konzentrieren.

Das Objekt der Begierde

Für den Test haben wir uns ein Samsung Omnia 7 vorgenommen. Dies hatte keinen bestimmten Grund – bis auf Kleinigkeiten im Gehäusedesign dürften so ziemlich alle Windows Phones auf einem ähnlichen technischen Stand sein. Die Systemvoraussetzungen von Microsoft lassen Herstellern momentan keinen großen Spielraum für Experimente – wir begrüßen das aber, denn so gibt es weniger Unterschiede in der Qualität der Anwendung, die auf die Hardware zurückzuführen sind. Wir möchten uns hier eher auf das Zusammenspiel mit dem Mac konzentrieren, einen Testbericht zum Omnia 7 findet ihr beispielsweise auf areamobile.

Die ersten 24 Stunden mit dem Gerät

Erfreuliches zu Beginn: Wer (zunächst) keine Updates einspielen möchte, kann ein Windows Phone komplett ohne Computer benutzen. Eine Aktivierung á la iTunes ist nicht zwingend erforderlich. Ein Update hingegen wäre aber sinnvoll, denn in der ursprünglichen Version hat Microsoft beispielsweise die Copy&Paste-Funktion vergessen. Als alter iPhone-Hase fühlt man sich an der Stelle gleich wieder in das Jahr 2009 zurückversetzt, als iOS ähnliche Probleme hatte. Gleiches gilt übrigens auch für Screenshots, eine weitere Funktion, die Microsoft zumindest in der aktuellen Firmware-Version noch nicht vorgesehen hat.

Doch das C&P nachrüstende Update ist bereits verfügbar und schon recht schnell macht sich ein gewisses Grundempfinden breit: Es fühlt sich richtig gut an. Während Android versucht hat, mit Apple Schritt zu halten und dabei teils besser, teils schlechter vom Original abgekupfert hat, versucht Microsoft lobenswerterweise einen eigenen Weg zu finden. Und das funktioniert erstaunlich gut. Der Großteil des Designkuchens in WP7 geht dabei die Metro-Oberfläche, die Microsoft nun Stück für Stück in alle Geräte implementieren möchte. Grob zusammengefasst kann man sagen: Während das iPhone ein Touch-Phone ist, handelt es sich bei WP7 um ein Slide-Phone. Oder anders ausgedrückt: Mit einem Wisch ist alles weg. Wörtlich genommen, denn zu anderen Ansichten kommt man in der Regel durch „wegwischen“ von Display-Inhalten. Nun ist der Testlauf noch relativ jung, aber insgesamt machen die ersten Stunden mit dem Windows Phone durchaus Spaß – überraschenderweise.

Die Daten im Griff: Windows Phone 7 Connector für Mac

Dass Microsoft doch noch auf alte Tugenden zurückgreifen kann, zeigt die Sync-App für den Mac. iPhone-Nutzer dürften sich an die Geräteansicht in iTunes erinnert fühlen, allerdings ist die App deutlich schlanker. Während man sich auf der Windows-Plattform mit einer Zune-App herumärgern darf, die iTunes in nichts nachsteht (im Positiven wie im Negativen, Design ist Geschmacksache), bekommt der Mac-Anwender mit dem Windows Phone 7 Connector ein sehr aufgeräumtes Programm an die Hand, das die nötigsten Funktionen beherrscht: Befüllen mit Content, Synchronisieren von Benutzerdaten und Update der Firmware.

Das Befüllen mit Medien geht ausgesprochen leicht von der Hand. Der WP7 Connector bedient sich einfach der iTunes-Mediathek und kann dessen Musik, Videos und Wiedergabelisten auf das Gerät überspielen. Gut gefallen hat uns ebenfalls, dass sich Microsoft zumindest etwas bemüht, das Programm in das System zu integrieren. So werden bei einem Sync die mit der Kamera geschossenen Fotos in iPhoto importiert. Apropos Fotos: Leider meldet sich ein WP7 nicht als digitale Kamera, weshalb der WP7 Connector notwendig ist, um Bilder vom Gerät auf die Festplatte zu kopieren. Hierum kümmert sich der Menüpunkt „Gerät durchsuchen“.

Einen Mangel an Konsequenz lässt Microsoft bei der Synchronisierung mit Kontakten und Kalenderdaten: Während man unter Windows zumindest die Option eingeblendet sieht, diese Daten von der lokalen Outlook-Installation zu übernehmen, fehlt dies (auf den ersten Blick) auf dem Mac komplett. Hierbei bleibt nur der Umweg über einen Exchange-Server oder Google. Daneben haben Mac-Anwender derzeit nur direkt auf dem WP7 die Möglichkeit, nach neuen Apps Ausschau zu halten: Der Zune-Store ist nur in der Windows-Version integriert. Ärgerlich außerdem: Es gibt keinen Filter, sodass man nur nach Apps suchen kann, die Suchergebnisse werden auch immer mit anderen Funden (beispielsweise Musik) kombiniert.

Bei all dem Lob: Microsoft ist Microsoft

Eine gewisse, positive Grundstimmung hat sich schon breit gemacht beim Verwenden des Samsung Omnia 7. Dennoch zeigt Microsoft hier und da, wofür sie vor allem in der Mac-Welt so bekannt sind. Angefangen bei dem Download-Center, das den WP7 Connector verspricht und nur eine Text-Datei mit Verweis auf den Mac App Store liefert, über den Hinweis, dass man zur Konfiguration der drahtlosen Synchronisierung das USB-Kabel anschließen muss, bis hin zum obligatorischen Crash beim Versuch der Firmwareaktualisierung, während der ein Anruf hereinkam, haben wir ein paar teils skurrile Überraschungen erlebt. Dennoch: Wer sich auf Windows Phone 7 einlassen will, erhält bereits jetzt ein erstaunlich rundes Produkt. Ironischerweise ist die Mac-Version der Sync-Software sogar aufgeräumter und weniger Bloatware als ihr Windows-Bruder – diese Schlankheit wird jedoch mit einigen durchaus nützlichen Features erkauft, die Mac-Anwendern fehlen.

Erster Eindruck

Erster Eindruck: Jo. Kann man mit leben. Positiv überrascht, dass Microsoft offensichtlich doch fähige Designer hat und dass das Konzept auch gut aufgeht. Vor allem sollte der Mut gewürdigt werden, eigene Wege zu gehen – eine Tendenz, die gerade bei Microsoft eher neu ist. Sicherlich, für Vollblut-Apple-Anwender mag das alles etwas gewöhnungsbedürftig sein, aber wenn man das möchte, kann man sich durchaus dran gewöhnen. Vom iPhone (und teilweise von Android) ist man sicher noch einigen Luxus gewöhnt, aber die Richtung, die Microsoft im Blick hat, stimmt. Deshalb muss man aber noch lange kein PC werden – vor allem dann nicht, wenn man iTunes gegen die Zune-App tauscht, Pest gegen Cholera.


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