iPhone 4S im Test

Stefan Keller, den 19. Oktober 2011

Seit Freitag ist das iPhone 4S hierzulande erhältlich. In der Schilderung unseres ersten Eindrucks haben wir bereits festgehalten, was uns auf die Schnelle aufgefallen ist – jetzt folgt der ausführliche Testbericht.

Optik

Die Optik ist für Kenner schnell beschrieben: Das iPhone 4S sieht aus wie sein Vorgänger. Genauer gesagt dessen CDMA-Version, aber wenn man nicht gerade im Besitz von eng anliegenden Hüllen ist, fällt der Millimeter Unterschied beim Lautstärkeregler nicht auf. Für alle anderen: Die Vorder- wie Rückseite besteht aus Glas, die Umrandung aus Metall. Der Rahmen dient außerdem als Antenne. Die Micro-SIM-Karte wird auf der rechten Seite eingeführt, links befinden sich die beiden Buttons für die Lautstärke sowie der Lautlos-Kippschalter. Auf der Oberseite ist der Klinkenanschluss für den Kopfhörer zu finden, ein Mikrofon für die Rauschunterdrückung und der Sleep-Button. Auf der Unterseite ist das Mikrofon für Telefonate, der Dock-Anschluss und der Lautsprecher. Das iPhone 4S kommt in schwarz und weiß, getestet haben wir die schwarze Ausgabe.

Inbetriebnahme

Die Inbetriebnahme ging recht leicht vonstatten – noch leichter wäre sie gegangen, wenn unser WLAN-Passwort keine an Paranoia grenzenden 63 Stellen lang wäre (und wir keine Lust hatten, es per Bildschirmtastatur einzugeben). Dann nämlich hätte das Aufspielen des alten Datenbestands via iCloud- oder iTunes-Backup über WLAN stattfinden können. So allerdings brauchten wir das Kabel. Bereits während Apps und Musik kopiert werden, kann man mit dem iPhone arbeiten; dies ist allerdings ein iOS 5-Feature, das alle iOS-Devices gemein haben.

Wechslern von 3GS oder älter fällt das Retina-Display auf. Wer das iPhone 4 hatte, kennt es schon. Es bietet die doppelte Auflösung und damit ein deutlich besseres Schriftbild.

Telefonfunktionen

Ob man es glaubt oder nicht: Man kann mit dem iPhone 4S SMS schreiben und sogar telefonieren. Beides funktioniert recht gut und im Grunde unverändert wie bei Vorgängermodellen auch schon. Die Sprachqualität ist hierbei an beiden Enden glasklar. Lediglich iMessage ist neu: iOS-Benutzer können sich untereinander kostenlos Nachrichten schreiben, die ähnlich auf dem Gerät landen wie SMS – nur sind sie in blau statt in grün gehalten. Auch hier gilt: Dies ist eine iOS-5-Funktion und nicht exklusiv dem iPhone 4S vorbehalten. Die Nachrichten gehen über das Internet, eine Flatrate wäre also hilfreich. Allerdings dauern iMessages zuweilen relativ lange, bis sie beim Empfänger ankommen, dafür gibt es auf Wunsch eine Lesebestätigung. Ist der Empfänger nicht per iMessage erreichbar, wird stattdessen eine SMS oder MMS verschickt. Laut Apple findet der Versand verschlüsselt zwischen Absender und Empfänger statt.

Multimedia und Lautstärke

Ursprünglich wurde das iPhone unter anderem als der beste iPod, den es je gab, beworben. Hieran hat sich im Grunde auch nichts geändert: Die Musik-, Video- und Foto-Funktionen tun souverän ihren Dienst.

Unterschiede gibt es hingegen bei der Lautstärke. Uns ist aufgefallen, dass der integrierte Lautsprecher im iPhone 4S deutlich lauter ist, als jener im iPhone 3GS. Dafür ist der Kopfhörer leiser bei voller Lautstärke. In beiden Fällen liegt die Differenz bei unseren Messungen bei 3 dB(A) – es wird also aus dem Lautsprecher die doppelte Lautstärke, über den Kopfhörer nur die halbe Lautstärke erreicht. Wer die Versuchsanordnung nachbauen möchte: Als Test-Song durfte Unheilig mit dem Lied „Sternbild“ (aus dem Album „Große Freiheit„) bei 256 kbps AAC herhalten, wir haben die ersten 2:02 Minuten übersprungen.

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Wir sind übrigens mit unserem Ergebnis nicht alleine, der iDownloadBlog ist auf ein ähnliches Resultat gekommen. Hierbei wurde allerdings nur der Lautsprecher einbezogen, dafür im Vergleich mit dem iPhone 4. Das Ergebnis ist hier aber ähnlich: Das 4S ist deutlich lauter.

Was den Klang angeht, überzeugt das iPhone 4S über die Lautsprecher wie auch über die Kopfhörer. Der Ton ist stets sauber, wenn die Quelle es hergibt. Der Klang über die Ohrhörer gefällt uns im Vergleich zum 3GS sogar noch einen Tick besser.

Kamera

Die Kamera wurde beim iPhone 4S generalüberholt. Sie bietet die Optik von Sony, 8 MP Auflösung und kann Videos in Full-HD (1920×1080) bei 30 Bildern pro Sekunde aufnehmen. Mit der großen Blendenöffnung verspricht Apple zudem gute Bilder auch bei schlechten Lichtverhältnissen. Dies haben wir uns genauer angesehen – und stellen dabei fest, dass die Bilder bei „schlechten“ Lichtverhältnissen durchaus okay sind, es bei Dunkelheit aber definitiv an Schärfe fehlt, wobei das LED-Blitzlicht durchaus eine beeindruckende Leuchtkraft besitzt. Am Tag macht die Kamera nach unserer Auffassung sehr gute Bilder – nicht zu vergessen ist hierbei, dass wir von einer „Handy-Kamera“ sprechen. Besonders beeindruckt sind wir von Makro-Aufnahmen: Bis auf ca. 5 cm kann man herankommen, damit ein gutes Bild entsteht. (Hinweis: Um die Ladezeiten in Grenzen zu halten und Scrollbalken zu vermeiden, wurden die Bilder skaliert. Die Original-Aufnahmen sind unten zu finden.)

Bei Videoaufnahmen sorgt der Bildstabilisator für eine gewisse Ruhe in den Filmen, jedoch fällt hier auf, dass – besonders bei schnellen Bewegungen – das Bild zum Verwaschen neigt. Ebenso die automatische Einstellung der Bildschärfe und das korrekte Erkennen der Lichtverhältnisse scheint uns bei Standbildern besser zu gelingen. Ein Demo-Video haben wir für euch bei YouTube hochgeladen, ggf. muss die Qualität noch auf 1080p verstellt werden:

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Einen optischen Zoom gibt es technologiebedingt nicht und beim Ausschneiden wird ein Teil aus dem 8 MP-Bild herausgeschnitten; insgesamt bleibt die Kamera im iPhone 4S eine Handy-Kamera – wenn auch eine sehr gute.

Siri

Beeindruckt waren wir von Siri schon nach dem ersten Anschauen. Doch je mehr man sich darüber im Klaren ist, was sie kann, desto schneller findet man auch heraus, was sie nicht kann. Sie kann viele Funktionen des iPhone 4S per Sprache einstellen, Nachrichten aller Art schreiben, den Wecker stellen, Erinnerungen einrichten, den iPod fernsteuern. Leider gibt es noch viel mehr Dinge, die sie in Deutschland nicht kann. Beispielsweise kann ihre amerikanische Kollegin auch die Karten-App steuern, „Points of Interests“ finden und noch vieles andere mehr, was hierzulande (noch) nicht angeboten wird. Der Aha-Moment – im positiven Sinne – kam uns, als wir Siri am Montag baten, den Wecker für Mittwoch um 8 zu stellen. Dies war nicht möglich, weil die Weckzeit weiter als 24 Stunden in der Zukunft lag. Siri fragte aber, ob sie stattdessen eine Erinnerung für Mittwoch um 8 einrichten soll. Dies verneinten wir zwar, aber dennoch zeigt es, dass Siri für eine künstliche Intelligenz sehr clever ist.

Leider hört die Intelligenz so ziemlich genau an der Sprachbarriere auf. Siri kann anscheinend derzeit nur die Sprache, die als Standardsprache eingestellt ist, in unserem Fall deutsch. Da Siri jetzt mit allem was sie hat versucht, deutsche Worte zu erkennen, funktioniert die iPod-Steuerung folglich nur bei deutschen Liedern. Songs mit englischen Titeln versteht sie nicht. Dies finden wir ganz besonders schade, da die Sprachbefehle ja in die Cloud gesendet werden und dort ausgewertet werden. Hier sollte Apple nachbessern.

Performance

Neu im iPhone 4S ist der A5-Chip von Apple. Er soll bis zu doppelt so schnell sein wie sein Vorgänger und in Grafikberechnungen gar siebenmal so flink. In diversen Benchmarks hat sich herausgestellt, dass diese Werte halbwegs eingehalten werden können, wobei uns an dieser Stelle mehr das Gesamtpaket interessiert. Und das weiß zu gefallen: In Safari laden Seiten sehr schnell und überhaupt geht die Bedienung gut von der Hand, Animationen ruckeln nicht. Was Spiele angeht, wird die Zeit zeigen, was die Entwickler dem Chip entlocken können.

Empfangsleistung

Vorab: Es gibt mit einigen SIM-Karten offensichtlich Probleme, die sich in Empfangsproblemen widerspiegeln – hier hilft es, den SIM-PIN zu deaktivieren, bis ein entsprechendes Update erscheint. Weder bei einer zerschnittenen O2-Karte, noch bei einer neuen Telekom-Micro-SIM hatten wir dieses Problem.

Der Empfang wurde anscheinend wesentlich verbessert. Antenna-Gate war hierzulande aufgrund deutlich besser ausgebauter Mobilfunknetze ohnehin kein so großes Problem wie in den USA, aber durch Anfassen lässt sich die Anzeige nicht mehr beeinflussen. Doch das ist nicht alles: Sogar der „natürliche“ Empfang ist besser geworden: Im Super-Markt meines Vertrauens hatte das iPhone 3GS – wie übrigens auch diverse Nokia-Handys – bereits nach wenigen Schritten hinter der Tür keinen Draht zu UMTS mehr; aufgrund der Baukonstruktion werden Funkwellen abgeschirmt, Mobilfunk ist nur durch entsprechend getroffene Maßnahmen möglich – und diese decken nur den klassischen GSM-2G-Empfang ab. Dennoch schafft es das iPhone 4S fast durchgängig eine UMTS-Verbindung zu halten. Diese hat laut Anzeige zwar keine rekordverdächtige Feldstärke (bis zu zwei Balken), aber ist dafür vorhanden. Wenn sie doch einmal verloren geht, geht es nahtlos mit EDGE weiter. Dies ist nebenbei bemerkt die einzige Chance in den Genuss von EDGE zu kommen: Eine Option zum Deaktivieren von UMTS gibt es im iPhone 4S nicht.

Akkulaufzeit

Die Akkulaufzeit ist nur in wenigen Disziplinen laut Apple gestiegen, was die Standby-Zeit angeht, sogar um 100 Stunden gesunken. Wie weit Theorie und Praxis auseinander liegen, hat iLounge kürzlich getestet.

Überragend ist die Akkulaufzeit bei unserem Modell sicher nicht; wir würden sie aber als akzeptabel bezeichnen. Laut Statistik sind seit der letzten Ladung 2 Tage und 9 Stunden im Standby vergangen, während das iPhone knapp fünf Stunden „benutzt“ wurde. Die Anzeige steht momentan bei 22% Restkapazität. Dies ist sicherlich ausbaufähig; bei neuen Akkus ist es aber so, dass sie ein paar Ladezyklen benötigen, um ihre volle Kapazität zu entfalten, daher sollten die Werte mit der Zeit leicht besser werden. Synchronisierung über WLAN, automatische Einstellung der Zeitzone und die iCloud-Dienste sind hierbei abgeschaltet, Display-Helligkeit bei 50% Normalwert.

Kollege Trust, der von einem iPhone 4 auf das 4S umgestiegen ist, teilt die Ansicht: Seiner Meinung nach ist der Akku relativ unauffällig. Die tatsächliche Laufzeit bei seinem Nutzungsprofil hat sich nicht wirklich geändert.

Umstiegsempfehlung

Grob kann man zusammenfassen: Das iPhone 4S ist ein iPhone 4 mit besserer Kamera, Siri, CDMA-Unterstützung und Bluetooth 4.0. Vor allem iPhone-4-Besitzer sollten sich überlegen, ob ihnen die abweichenden Features den Umstieg wert sind. Mit zu betrachten wäre ggf., dass es das iPhone 4S auch mit 64 GB Speicherkapazität gibt. Nach unserer Einschätzung sollten sich iPhone-4-Besitzer aber keine zu großen Sorgen um ein Update machen: Der A4-Chip hat noch locker genügend Dampf im Kessel für iOS 5 und der Arbeitsspeicher geht den beiden neusten Modellen gleichzeitig aus: iPhone 4 und 4S haben 512 MB.

Wer hingegen von einem iPhone 3GS oder älter kommt, wird seine helle Freude am iPhone 4S haben: Retina-Display, 8 MP-Kamera, HD-Video-Aufnahme und tendenziell verbesserte Akkulaufzeit locken – hier gibt es also nichts groß zu überlegen.

Fazit

Das iPhone 4S ist aus unserer Sicht auf keinen Fall die Enttäuschung, von der nach der Keynote an vielen Stellen berichtet wurde. Ganz im Gegenteil, halten wir es für eine konsequente Weiterentwicklung. Jedoch zeigt sich auf den zweiten Blick, dass sich das iPhone hauptsächlich durch seine Software definiert – denn die meisten Funktionen kommen auch per iOS 5 auf das iPhone 3GS und 4. Wer die Kamera nicht unbedingt braucht und auf Siri verzichten kann, muss sich als iPhone-4-Besitzer also keine Sorgen wegen eines Neukaufs machen. Wer ein komplett neues iPhone kauft oder vom 3GS (oder gar noch älter) verlängert, kann aber nicht viel falsch machen.

Den abgezogenen Mac teilen sich die Macken, die Siri und die Tatsache, dass der persönliche Assistent so ziemlich das einzige Alleinstellungsmerkmal das 4S ist – obwohl von der Performance her zumindest das iPhone 4 auch damit klar käme.

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