Test: Need For Speed: The Run für PlayStation 3

Stefan Keller, den 20. November 2011
Need for Speed: The Run - Screenshot
Need for Speed: The Run – Screenshot

Wenigstens auf eine Sache ist Verlass: Gegen Ende des Jahres erscheint ein neuer Teil aus der Need-For-Speed-Reihe. In diesem Jahr durfte EA Black Box wieder ran und die NFS-Episode für 2011 programmieren. In unserem Review auf der PlayStation 3 werden wir euch sagen, ob das gut ging.

Seit 2002 konnte man sich darauf verlassen, dass jedes Jahr ein neuer NFS-Teil in die Läden kommt. Dafür verantwortlich zeichnete sich das Studio EA Black Box, das seinen Höhepunkt 2005 mit Most Wanted erreichte, um mit Carbon stark abzusinken, sich mit Pro Street wieder ein wenig zu fangen, nur um dann mit Undercover 2008 komplett abzustürzen. Seither hat EA das Zepter an andere Entwickler weitergegeben, während sich Black Box um das MMO-Rennspiel Need For Speed World gekümmert hat und nun aber wieder das diesjährige NFS entwickeln durfte: The Run.

Einmal quer durch die USA

In Need For Speed: The Run gibt es eine Karriere, bei der der Spieler in die Rolle von Jackson Rourke schlüpft. Das Spiel begrüßt uns gleich mit einer heiklen Situation: Jack ist bewusstlos in seinem „Audi“ gefangen, dem sich gerade die Schrottpresse annimmt. „Endlich“, könnte man sagen, sind auch bei Need For Speed die Quick-Time-Events angekommen, denn in den interaktiven Cut-Scenes müsst ihr allerlei gefährliche Missionen erfüllen. Ähnlich wie beim „Godfather of QTE“, Fahrenheit, ist es zuweilen kein ganz großes Drama, wenn man einen Knopf mal nicht rechtzeitig erwischt, doch passiert dies zu oft, geht es Jack an den Kragen, und das Spiel lädt die Cut-Scene neu. Auf jeden Fall ist der Charakter nun ein gesuchter Mann, der gewissen Leuten einen Haufen Geld schuldet. An dieser Stelle kommt Sam Harper ins Spiel, die Jack bei „The Run“ mitfahren lässt, einem 3000-Meilen-Rennen von San Francisco nach New York; wer als erster dort ankommt, gewinnt 25 Millionen Dollar.

Alles ein bisschen

In der Karriere gibt es die Strecken, quasi „vorab“, zum Testen. Hierbei stellen Kenner schnell fest, dass EA Black Box unter Druck gestanden zu haben scheint. Offensichtlich musste The Run ein ordentliches Need For Speed werden, egal wie. Da haben wir die Herbst-Landschaft aus Most Wanted, Canyon-Rennen aus Carbon, teilweise Nachtrennen aus Underground/2, das Schadensmodell aus Pro Street und die, zugegebenermaßen recht gelungenen, Cut-Scenes aus Undercover. Nicht zu vergessen auch die vollkommen übertriebenen Sonnen-Effekte aus Undercover, aber glücklicherweise nicht ganz so permanent sichtbar wie seinerzeit.

Neu und etwas an Split Second und Motorstorm: Apocalypse erinnernd sind Rennen, bei denen die Umgebung gescriptet zerstört wird. Die Aufgabe des Fahrers ist es, selbstverständlich den Hindernissen auszuweichen und „nebenbei“ noch das Rennen zu gewinnen. Diese Rennen kommen allerdings nur sehr selten vor, und dann auch noch unter unfairen Bedingungen. Ansonsten geht es darum, Rennen zu gewinnen. In der Regel muss man seine Gegner überholen, die zeitversetzt auf der Strecke zu finden sind. Die Karriere gibt vor, dass man beispielsweise als 50. in Chicago sein muss. Andere Rennmodi verlangen nur „Zeit wieder gutzumachen“ – dahinter verbergen sich Checkpoint-Rennen. Zu guter Letzt bietet The Run noch den Rennmodus, bei dem ein Gegner „besiegt“ werden muss. Innerhalb eines Zeitfensters muss er überholt werden und bis zum Ende des Countdowns muss der Platz dann gehalten werden. Die Rennmodi gibt es, der Abwechslung wegen, mal mit und mal ohne Polizei-Unterstützung. Die Polizei hat übrigens wieder einen Polizeifunk, den man mithören kann, und gibt Kommandos über den Lautsprecher. „Wie immer“, möchte man sagen, ist das Gesülze der Polizei eher als peinlich zu betrachten: Als einer der Beamten sagte „Der Kerl wird kaum langsamer, der fährt wie eine Maschine“, mussten wir unweigerlich an „Der Gerät“ denken.

Wer feststellt, dass sein Auto zu schwach ist, kann an die Tankstelle fahren, die hier und da auf der Map versteckt ist, und sich ein neues aussuchen. Wir haben dies nie getan und sind trotz der Tipps, welche Autos für welche Strecken überhaupt nicht geeignet sind, ans Ziel gekommen. Mit solchen Tipps werden die langen Ladezeiten überbrückt.

Was uns fehlt, ist die Möglichkeit, die Strecken noch einmal ganz zwanglos zu befahren. Es gibt durchaus einige Aha-Momente, wo es den Entwicklern tatsächlich gelungen ist, eine gute Stimmung auf den Bildschirm zu zaubern. Nur bei 300 Kilometern pro Stunde bleibt nicht viel Zeit, diese zu genießen.

Kurze und unfaire Karriere

Sieht man von technischen Mängeln ab, konnte man der NFS-Serie eines ganz sicher nie vorwerfen, dass sie unfair sei. Im Fall von The Run haben wir es also mit einer Weltpremiere zu tun. Erstmalig ist das Spiel ziemlich unfair dem Spieler gegenüber. Das fängt bereits damit an, dass NFS euch das Denken abnimmt und automatisch auf den letzten Checkpoint zurücksetzt, wenn ihr „zu weit“ abseits der Strecke fahrt. Gefühlt scheint dabei ein Pixel schon zu genügen. Besonders ärgerlich ist es aber, wenn man schon beinahe wieder auf dem Asphalt fährt und trotzdem wieder zum Checkpoint gebeamt wird. Solche Resets gibt es beim Schwierigkeitsgrad „normal“ übrigens fünf pro Rennen, beim sechsten Mal müsst ihr das Event erneut versuchen.

NFS: The Run ist darüber hinaus unfair zu nennen wegen der Polizei. Sie fährt enorm aggressiv und dabei nicht besonders gut. Aber sie versperrt einem den Weg. Das wäre per se nicht verwerflich, aber als NFS-Spieler will man wenigstens noch die Chance haben, ihr ausweichen zu können. Dies funktioniert allerdings nicht, wenn die Cops 10 Meter vor dem eigenen Wagen einen Drift hinlegen und das Straßensperre nennen. Auf der Unfair-Skala sammelt The Run dann auch noch Punkte, wenn es auf die Gegner ankommt. Es hängt stark vom Rennen ab, ob es knapp zugeht oder nicht – wenn aber doch, wird jeder auf der Strecke zum Rambo. Das eigene Auto ist dabei komischerweise „nie“ in der Lage, Gegner in die Leitplanke zu drücken.

Nicht zuletzt ist die Fahrphysik ein Argument, warum das neue NFS unfair ist. Wir haben vom Rennspiel sicher keine Simulation à la Forza erwartet, aber wie sich die Wagen in The Run steuern, ist selbst für Need-For-Speed-Verhältnisse merkwürdig. Dazu kommt, dass die Wände anscheinend magnetisch sind, denn sobald man zu nah an der Wand fährt, ist es ein Ding der Unmöglichkeit, den Wagen in der Spur zu halten.

Zu guter Letzt kann man noch den Gegenverkehr anführen: Erst sieht man ihn überhaupt nicht, aber wenn auf der Landstraße dann mal ahnungslose Passanten fahren, treffen sich beide auf gleicher Höhe genau in dem Moment, in dem man an ihnen vorbei müsste. Da manche Straßen so eng bemessen sind, dass man einen Meter neben dem Asphalt bereits zum Checkpoint befördert wird, bleibt einem nur der Tritt auf die Bremse – die Gegner wird’s freuen.

Besonders, wenn man dann in der Stadt angekommen ist, wo man hin soll, warten dann gescriptete Rennen auf den Fahrer. Diese sind ärgerlich, weil es im Grunde egal ist, wie gut man fährt, wenn am Ende der böse Fahrer im anderen Wagen die Pistole zückt und auf die TNT-Fässer schießt, sodass man durch den Bahntunnel fahren und den Zügen ausweichen muss.

Alles in allem fällt die Karriere recht kurz aus. Wir waren nach 8 Stunden und 30 Minuten bei den Credits angekommen, ein paar Animositäten der Konsole mitgerechnet. Das ist im Grunde genommen ein Nachmittag und für ein Vollpreisspiel doch sehr wenig. Wären wir besser gefahren, ist es sicherlich zudem möglich, die 7-Stunden-Marke zu knacken. Wie in NFS: Hot Pursuit (2010) gibt es dann noch Herausforderungen, bei denen einzelne Strecken in bestimmten Zeiten gefahren werden. Angesichts der Nerv-Faktoren, ist dieser Modus aber wenig motivierend.

Mehrspielermodus

Überraschung: Der Mehrspielermodus ist das heimliche Highlight in NFS: The Run. Bei entsprechenden (menschlichen) Gegnern spielt sich dieser nämlich beinahe wie ein „richtiges“ NFS. Die Fahrphysik bleibt zwar bestehen, aber der Gegenverkehr ist besser ausbalanciert. Gruppiert wird im Multiplayer nach Wagentyp, wobei man sich Modi durch Erfolge freischalten muss. Nach Ende einer „Sitzung“ entscheiden die Teilnehmer aus zwei zufällig ausgewählten Settings, wo sie als nächstes fahren wollen. Obwohl wir von EA Black Box reden, waren Lags und Synchronisierungsfehler bei der PS3 keine zu sehen.

Technisches

Technisch hinterlässt NFS: The Run geteilte Eindrücke – einerseits gefallen die verschiedenen Settings sehr gut, auf die man stößt, andererseits aber haben wir schon schönere Rennspiele gesehen, die noch dazu flüssiger laufen. Bereits dem ersten Screenshot, als das Spiel angekündigt wurde, hat man am Straßenbelag angesehen, wer der Entwickler ist, denn in Underground 2 sah die Straße nicht wirklich anders aus. Und die Framerate schließt sich dem Urteil an: Typisch EA Black Box kann die Engine (im Übrigen Frostbite 2, bekannt aus Battlefield 3) die Framerate mal halten, stürzt dann aber wieder ab, um sich kurz darauf wieder etwas zu fangen.

Was den Sound angeht, können wir uns über die Musik schon mal nicht beschweren. Sie ist relativ abwechslungsreich und passt gut ins Setting. Was Motoren und ähnliche Geräusche angeht, haben wir schon Besseres gehört, aber für einen Arcade-Racer geht das sicher in Ordnung. Ansonsten ist das Bild von NFS: The Run vor allem durch lange Ladezeiten geprägt, und zwar nicht nur zwischen zwei Rennen, sondern sogar dann, wenn es zurück auf den letzten Checkpoint geht. Nicht unerwähnenswert dürfte sein, dass unsere PlayStation 3 während der achteinhalb Stunden dreimal eingefroren ist –  technisch besteht also in jedem Fall Nachholbedarf bei NFS.

Fazit

Die Idee, einmal quer durch die USA zu heizen, ist eine richtig gute. Optisch – besonders stilistisch – ist es EA Black Box in Need for Speed: The Run sogar gelungen, diese Idee über weite Teile ordentlich umzusetzen. Doch die Karriere ist mit weniger als 9 Stunden arg kurz ausgefallen, und noch dazu ziemlich unfair. Punkten kann hingegen der Mehrspielermodus. Am Ende möchte man dem Publisher den Tipp geben, dass sich EA Black Box lieber um NFS World kümmern sollte und Jack besser nach New York geflogen wäre – ganz so katastrophal wie Undercover ist Need For Speed: The Run zwar nicht, aber von Most Wanted oder Hot Pursuit ist es mindestens so weit weg, wie die in der Karriere gefahrene Strecke lang ist. Wer ein Arcade-Rennspiel für Weihnachten sucht, sollte lieber mal in Richtung Driver: San Francisco schielen.


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