Mobile Geschichte-App für iPhone im Test

Alexander Trust, den 12. Januar 2012
Mobile Geschichte

Als ich die Pressemeldung zu Mobile Geschichte las, dachte ich zunächst, dass man es mit einem „interessanten“ Konzept zu tun hat. Und tatsächlich ist die Idee der App für iPhone durchaus interessant, die Umsetzung allerdings birgt zum jetzigen Zeitpunkt noch ein paar „Kinderkrankheiten“. Da uns ein Testcode zur Verfügung stand, habe ich mir dann spontan die Mühe gemacht und abgeklopft, ob die App hält, was die Pressemitteilung verspricht, oder zumindest andeutet.

Startet man Mobile Geschichte, erfolgt die Frage nach der Zustimmung, ob man mittels GPS den eigenen Standort ermitteln dürfte. Jemand, der sich für die App entscheidet, dürfte mit dem Ja also keine Bauchschmerzen haben. Alternativ ließe sich der Standort aber auch ohne GPS rausfinden, immerhin arbeitet die App ja auch auf iPod touch und iPad, wenngleich es noch keine native iPad-App gibt. Persönlich finde es immer wieder schade, wenn so ein Hinweis in den Pressemitteilungen aber nicht erfolgt. Es gibt dort draußen super viele „Nachrichten“-Seiten, die nämlich Pressemitteilungen einfach nur kopieren, und entsprechend bei unbedarften Nutzern den Eindruck erwecken, dass es die Apps auch für das iPad gäbe. Natürlich laufen iPhone-Apps auch auf dem Tablet, nur wirklich schön anzusehen sind die wenigsten und der größere Bildschirm hat sowohl im „kleinen“ wie auch im „vergrößerten“ Zustand durchaus eine andere Usability zur Folge.

Pfadfinder spielen

Nach erfolgter Ortungszustimmung jedenfalls wird auf dem Home-Bildschirm der App ein Kompass eingeblendet und eine Liste mit Schlössern und Burgen im näheren Umkreis, sortiert nach der Entfernung der einzelnen Objekte. Der Kompass ist für diejenigen gedacht, die beim Wandern zu Fuß den Weg zu Schloss X, Burg Y oder Herrenhaus Z finden möchten. In den Optionen kann man den Kompass ausschalten, allerdings bewegt sich dann einfach nur die Kompassnadel nicht mehr, der Kompass selbst wird nach wie vor eingeblendet und nimmt gut 1/3 des Bildschirms ein. Meiner Meinung nach reine Platzverschwendung, für den Fall, dass man sich entschied, ihn auszuschalten. Ansonsten sicher ein ganz „lustiges“ Gimmick. Da wir es aber mit einer iOS-App zu tun haben, konnten die Entwickler natürlich auf die Navigations- und Kartenfunktionen des Systems zurückgreifen und so könnte man sich jederzeit mithilfe von Google Maps den Weg zu Burg Frankenberg oder dem Herrenhaus Hanbruch anzeigen lassen, wenn man sich z. B. in Aachen und Umgebung bewegt, wie ich es tue. Diese Funktionalität ist ordentlich implementiert und bietet den gewohnten Komfort, den man von der Karten-App und der Schritt-für-Schritt-Navigation derselben kennt.

Standorte ja, Infos nein

Mobile Geschichte bietet derzeit über 10000 Einträge in seiner Datenbank alleine für Deutschland, weitere 1224 in Österreich und immerhin 193 für die Schweiz. Andere Länder wie Italien, Kroatien oder Slowenien sind ebenfalls bereits Teil der Datenbank. Es gibt jedoch nur wenig Einträge.

Dies ist nun der eigentliche Grund, warum ich zuvor bereits darauf anspielte, was in Pressemeldungen als Information angegeben wird und was nicht. Die App wird angepriesen mit „10.000+ Einträgen“, es heißt dann im Text der Mitteilung weiter:

„Passend zum herausgesuchten Eintrag hält die App meist ein Foto, wichtige Fakten und eine sehr ausführliche Beschreibung bereit.“

Das ist ein Umstand, den ich nicht „hoch wissenschaftlich“ überprüfen kann, und bei mehr als 10.000 Einträgen auch nicht tun möchte. Vielmehr habe ich Stichproben gemacht und kann die zitierte Aussage nicht bestätigt finden. Die App greift auf den Datenbestand des Wikis unter www.mobile-geschichte.de zu. Richtig ist, dass die App mir helfen kann Schlösser und Burgen zu finden, doch in Aachen und Umgebung hab ich trotz über einem Dutzend Versuchen keine Infos zu den Schlössern erhalten, selbst beim Aachener Dom nicht, einem durchaus sehr geschichtsträchtigen Bau. Dass die App zum Herrenhaus X, Y „noch“ keine Infos bereithält, hätte ich ja verstanden, aber dass selbst der Aachener Dom dann nicht indiziert ist, sorgt bei mir eher für Stirnrunzeln. Immerhin möchten die Entwickler ja genau mit diesem Argument die Leute überzeugen. Das fällt aber „derzeit“ noch schwer. Meine Stichproben hab ich natürlich nicht auf Aachen beruhen lassen, sondern habe mich in Köln, in Bergisch Gladbach (Rheinisch-Bergischer Kreis), Remscheid (Oberbergischer Kreis), ja auch in Bochum umgeguckt, und jedes Mal mit dem gleichen Ergebnis, keine Infos, keine Fotos.

Keine hochqualitativen Infos

D. h. ein Mal hatte ich Glück, und zwar bei der „Abtei Altenberg“, an der ich selbst schon häufiger vorbeigefahren bin. Die „Infos“ zu dem Objekt halten sich allerdings in Grenzen. Es wird ein Foto gezeigt, das nicht mal die komplette Breite des Bildschirms im Hochkantmodus auszufüllen weiß. Mehr als ein „Thumbnail“ ist es nicht, und ein doppeltes Tippen darauf führt nur zur Skalierung, die mit einer Verschlechterung der Bildqualität einhergeht. Ein Link zu einem größeren Bild oder etwa eine ganze Bilderserie gibt es nicht. Unter der Überschrift „Info“ heißt es lapidar: „Ehemaliges Kloster“ und zur „Geschichte“ der Abtei Altenberg finden sich drei Absätze Text, die vielleicht dem Umfang nach einer kleineren News auf Macnotes entsprechen würden. Als Quelle für Text und Bild wird Wikipedia angegeben. Die Informationen stammen „teilweise“ oder sogar „komplett“ dorther. Das allerdings ist schade, denn dann könnte ich ja direkt Wikipedia ansurfen. Die App übrigens bietet unter dem Infotext einen kleinen unscheinbaren Button hinter dem Linktext „hier“ im Satz „Weitere Informationen erhalten Sie hier.“ Ein Tippen auf den Link lädt die entsprechende Wikipediaseite in der mobilen Ansicht.

Neben der Tatsache, dass die Informationen einerseits nicht selbst zusammengetragen wurden, werden sie, zumindest was den Teil der „Mobile Geschichte“-App angeht, leider auch eher schlecht aufbereitet. Das Retina-Display auf dem iPhone ist zwar „scharf“, doch muss man die Augen der Leser trotzdem nicht mit einer relativ kleinen Schriftart strapazieren. An dieser Stelle hätte ich mir gewünscht, dass man sich noch ein wenig mehr Gedanken über die Lesbarkeit und indirekt damit ja auch über die Usability der App gemacht hätte.

Sinnvoll für die Zukunft?

Genug gemeckert. Mir stellt sich nach den Schilderungen bis hierhin die Frage über den Sinn und Unsinn so einer App. Da sie auf dem Datensatz eines Wikis fußt, können sich angemeldete Benutzer bei Mobile-Geschichte.de auch beteiligen. Allerdings sollte man von „Kunden“, die knapp 3 Euro für eine App ausgeben, nicht auch noch erwarten, dass sie zusätzlich Zeit und Arbeit investieren, um die App zu dem zu machen, was sie laut Hersteller ja eigentlich sein soll. Wenn man sich als Hersteller überlegt, wer denn eigentlich die Zielgruppe so einer App sein soll, dann behaupte ich, hat man eher schlechte Karten, wenn man hofft, dass die User viel zur App beitragen. Wenn jemand sich einen Reiseführer kauft, dann deswegen, weil dort die Informationen drin sind, die er sucht, nicht weil er selbst erst noch mit dem Kugelschreiber die Seiten füllen möchte. Das kann man in einem Tagebuch tun, nur dafür zahlt man höchstens die Papierkosten.

Entsprechend bin ich ein wenig enttäuscht vom ersten Eindruck, den die App bei mir hinterlassen hat, kann aber ja nicht ausschließen, dass „Mobile Geschichte“ in der Zukunft auch mehr wird, als nur ein Standortbestimmer. Denn anders als der Hersteller muss ich kritisch genug mit dieser App sein, um festzustellen, dass es schlechterdings sein könnte, dass hunderte oder tausende der Burgen und Schlösser in den Dutzenden kostenlosen Point-of-Interest-Apps im App Store enthalten sind. Um den Weg zum Schloss X zu finden, bräuchte ich also die „Mobile Geschichte“-App nicht zwingend, zumal man dafür eben Geld bezahlt.

Fazit: ein Satz mit X

Den versprochenen Mehrwert der „Mobile Geschichte“-App kann ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht ausmachen. Es mag sein, dass die Infos in manchen Regionen Deutschlands ausgeprägter vorhanden sind, mutmaßlich in Süddeutschland, wo die Betreiber des Wikis herkommen, auf dem die App basiert. Aber auch das ist nur eine Vermutung, die ich nicht etwa belegen kann, aus dem einfachen Grund, weil ich nicht Schlösser und Burgen in Süddeutschland suchen wollte, sondern in meiner Umgebung.

Ich kann die App in dem vorliegenden Zustand nicht zum Kauf empfehlen. Es mag sein, dass man regional andere Erfahrungen macht. Dann bleibt aber immer noch der Umstand bestehen, dass die visuelle Lesbarkeit der Infotexte und die Qualität der Fotos darin besser sein dürfte. Außerdem sind die weitergehenden Informationen, wenn vorhanden, nicht mehr als ein Verweis auf den Wikipedia-Artikel. Das ist ein Umstand, den ich sehr schade finde, weil man gehofft hätte, dass der Anbieter selbständig Informationen zusammenträgt und validiert. Was nicht ist, kann aber ja noch werden. Denn in der Sache ist das Projekt hinter der App, die Webseite unter Mobile-Geschichte.de ein hehres. Wie ambitioniert dort allerdings gearbeitet wird, kann ich nicht beurteilen und ob die App in Zukunft mehr Nutzen abwirft entsprechend auch nicht.


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