Test: Tweetbot für iPad

mz, den 10. Februar 2012

Der iOS-Twitter-Client „Tweetbot“ aus dem Hause tapbots hat sich binnen weniger Monate zu einer der beliebtesten Zwitscher-Apps auf dem iPhone entwickelt. Zusammen mit dem gestern erschienenen Update auf Version 2.0 ist jetzt auch die lang ersehnte iPad-Version erhältlich. Und sie vermag zu entzücken.

There finally is a good iPad Twitter app.

Diese Zusammenfassung, die kurz nach dem Erscheinen von Tweetbot for iPad auf Twitter zu lesen war, soll all denjenigen, die nicht den kompletten Beitrag lesen möchten, vorab eine klare Kaufempfehlung aussprechen. Denn mit Tweetbot präsentierte tapbots gestern in der von Steve Jobs bekannten Ankündigungsweise die erste von vorn bis hinten durchdachte Twitter-App auf dem Apple-Tablet. Dabei haben sich die Entwickler von tapbots nicht nur Gedanken um (fast) jede Kleinigkeit gemacht, sondern alle Neuerungen und Verbesserungen auch gleich in das entsprechende Update für die iPhone-Variante eingebaut.

Start

Gleich zu Beginn können sich insbesondere diejenigen Twitter-Nutzer freuen, die über mehrere Accounts verfügen: Alle werden aus den in iOS gespeicherten Profildaten importiert und sind ohne große Einloggerei sofort verfügbar. Kleines Luxusproblem hier jedoch: Mehr als zehn Accounts lassen sich zwar hinzufügen, aber deren Reihenfolge ist nicht veränderbar und die Seitenleiste verweigert die Auswahl der zufällig unten gelandeten Konten. Man kann sie zwar sehen, aber beim Hochziehen „federt“ die Leiste immer wieder zurück – nur die ersten neun nicht aktiven Accounts können genutzt werden. Importiert wurden alle 13 Accounts, die auf unserem iPad gefunden wurden. Die allerwenigsten Nutzer werden also Probleme bekommen.

Bedienung

Die Bedienung sollte für alle, die bereits die iPhone-App (zum Test) nutzen, kein Problem sein: Sie ist identisch. Das eigenwillige, aber in sich konsistente Design wurde komplett fürs Tablet-Display angepasst, ansonsten wird wie gewohnt beim Antippen eines Tweeds eine zusätzliche Optionsauswahl eingeblendet, die dann das Antworten, Retweeten, Favorisieren etc. ermöglicht. Neu ist, dass ein in einem Tweet enthaltener Link schon bei einem Einzeltipp direkt geöffnet wird. Dies wird von tapbots als Wunschfeauture der User angegeben und findet sich sowohl im Update der iPhone-Version von Tweetbot als auch in der neuen iPad-Variante.

Einen Tweet nach links ziehen, zeigt Antworten auf diesen Beitrag an, nach rechts gezogen öffnet sich die Ansicht der gesamten Konversation, zu der der Einzeltweet (möglicherweise) gehört.

Beim Tippen und anschließenden Halten öffnen sich die Sharingfunktionen wie „Link kopieren“ oder „Tweet per Mail verschicken“. Selbiges natürlich ebenso im Hoch- wie im Querformat.

Hochformat

Das Design der App ändert sich im Hochformat nur geringfügig, die Seitenleiste verschwindet und wird im Bedarfsfall – wie aus Mail bekannt – als Overlay angezeigt, das nach der Auswahl wieder verschwindet. Üblicherweise allerdings schrumpft sie lediglich in der Breite und zeigt dann nur noch die jeweiligen Ions für die einzelnen Aktionen an, der Text fällt weg. So bleibt die Bedienbarkeit komplett erhalten, ohne dass die Übersicht darunter leiden muss.

Auf den beiden Bildern über dem Absatz zu sehen ist die Webansicht des integrierten Browsers. In Tweetbot auf dem iPad kann man mit einem kleinen Schalter (am oberen Rand recht neben der Überschrift) nun zwischen Webansicht und Readability-Ansicht wechseln. Diese Ansicht entspricht in etwa der Reader-Ansicht aus Safari und formatiert die Seite jeweils so um, dass sie bequemer lesbar ist. Auch auf dem iPhone gibt es diese Funktion seit gestern.

Verfassen

In der Neuer-Tweet-Ansicht lassen sich links oben die gespeicherten Entwürfe auswählen. Zudem lässt sich selbst hier noch auswähle, welchen Account man nutzen möchte. Über das Zahnrad wird der Standort hinzugefügt/entfernt, was sicher eleganter hätte eingebaut werden können. Gleich daneben befindet sich der Button zum Hinzufügen eines Twitternamens, dann der Hashtag-Assistent und die Kamera zum Hinzufügen von Bildern.

Wie schon die offizielle Twitter-App allerdings erlaubt auch Tweetbot für iPad bei Nutzung des Twitter-Bilddienstes nur den Upload eines einzigen Bildes pro Tweet. Daher empfiehlt es sich, in den Einstellungen einen anderen Bilderdienst auszuwählen.

Settings for everyone

In den Einstellungen lassen sich – ebenfalls vom iPhone bekannt – alle möglichen persönlichen Präferenzen in verschiedenen Optionen verwirklichen. Dies reicht von abzuspielenden Sounds über die Schriftgröße (in fünf Stufen) und das Datumsformat bis hin zu individuellen Bildupload- und URL-Shorteningdiensten für jeden einzelnen Account. Allein für hochzuladende Fotos stehen sage und schreibe zehn verschiedene Bilderdienste zur Verfügung. Wenn keiner den Ansprüchen genügt, können mittels Eingabe des API-Endpukts sowohl Bild- als auch Videodienst sowie Shortener frei konfiguriert werden. So viel Auswahl hat es noch nirgendwo gegeben.

Weitere Neuerungen

Ebenfalls neu: Mit einem Tweet versendete Bilder werden gleich als Vorschau mit angezeigt. Ein Tipp öffnet sie dann in der Großansicht. Sie (wie auch Links und Hashtags) lassen sich nun mit einem Tipp öffnen – statt wie bisher zweien.

Während beim iPhone die beiden rechten Buttons in der unteren Displayleiste zwischen Profil, Listen, Retweets, Suche, Favoriten und Mute-Filter auswählbar sind, lassen sich in Tweetbot für iPad über den Einstellungspunkt „Navigation“ diese fünf Bereiche einzeln ein- oder ausblenden. Da in der Seitenleiste aber genug Platz für alle ist, können meiner Ansicht nach alle angezeigt bleiben.

Fazit

Wie in der Profilansicht gut zu erkennen ist, wird das Platzangebot des iPad-Displays optimal ausgenutzt. Die App ist übersichtlich, hat ein tolles Design und läuft vor allem (bisher) äußerst stabil, im Gegensatz zu Twitters eigener App. Den perfekten Twitter-Client gibt es noch immer nicht, dafür sind noch einige Kleinigkeiten im Argen.

Ein größerer Kritikpunkt wurde auch gestern nach dem Erscheinen bereits vielfach über Twitter angesprochen: Es handelt sich nicht um eine Universal Binary für alle iOS-Geräte, sondern die iPad-Version von Tweetbot schlägt ebenso wie die iPhone-App mit 2,39€ zu Buche.

Dennoch: Für die erste wirklich gute iPad-Twitter-App fast zwei Jahre nach Erscheinen des Apple-Tablets gibt es viereinhalb von fünf Macs. Und noch etwas: Für alle, die von Tweetbot begeistert sind, hatte ein Spaßvogel noch einen besonderen Tweet parat.

Umstieg?

Eine schwierige Frage, die mir schon mehrfach gestellt wurde, ist die, ob es sich nun lohnt, für den Preis Tweetbot zu erwerben, obwohl man bereits Osfoora HD besitzt oder die Twitter-App nutzt, die zudem gratis ist. Ehrlich gesagt finde ich, dass das jeder für sich entscheiden muss. Im folgenden aber ein paar Punkte, die bei der Entscheidung helfen könnten.

  • Osfoora (zum Test): Wer auf ein dunkles Design steht, kommt um Osfoora HD nicht herum. Die App hat einen riesigen Funktionsumfang und einige Alleinstellungsmerkmale wie z. B. das Markieren aller Tweets als gelesen mit nur einem Fingertipp. Die Schriftgröße ist zwischen 15pt und 28pt verstellbar und man kann sogar an jedem Freitag eine zufällige Auswahl an Twitter-Usern automatisch durch die App empfehlen lassen (FollowFriday). Mit Osfoora lassen sich zudem unbegrenzt viele Bilder an einen Tweet anhängen und der Zugriff auf die Entwürfe ist einfacher. Links, Hashtags etc. öffnen sich ebenfalls mit einem Tipp. Nachteile sind allerdings, dass die App im Hoch- und im Querformat absolut dieselben Dinge anzeigt (je nach Geschmack ist das auch ein Vorteil) und dass es keine integrierten Benachrichtigungen gibt.
  • Twitter (zum Test): Die offizielle App hat den großen Vorteil, kein Geld zu kosten. Die Ansicht passt sich an die Mobilansicht der Website an und baut sich von rechts nach links auf. Auch hier können mehrere Accounts hinzugefügt werden, deren Benachrichtigungen alle verschieden konfiguriert werden können. Für langsame Verbindungen kann die Bildqualität reduziert werden. Auch hier ist im Hoch- und im Querformat die Ansicht nahezu dieselbe, aber in der Seitenleiste wird der Übersicht halber ähnlich wie bei Tweetbot der Text ausgeblendet. Die Auswahl des Bilderdienstes wird hier für alle Accounts gleichzeitig getroffen, man kann also nicht für jedes Twitter-Konto einen anderen verwenden. Zudem habe ich nur zu oft die App neustarten und von vorn zu tippen beginnen müssen, weil mitten im Verfassen eines Tweets ein Absturz den Entwurf ins Nirvana geschickt hat.
  • Tweetbot: Das Design ist – wie auf dem iPhone (zum Test) auch – am konsistentesten. Insbesondere also diejenigen, die die iPhone-App bereits nutzen, werden auch auf dem iPad ihre Freude mit Tweetbot haben. Die umfangreichen Einstellmöglichkeiten übertreffen sogar Osfoora und die neuen Funktionen hinterlassen einfach den Eindruck, dass man vor einer Lösung sitzt, die wirklich so geworden ist, wie die Entwickler sie sich vorgestellt haben. Alles sieht schön aus und funktioniert einfach. Dennoch sind selbst Designfanatiker gespalten: tapbots entwickeln immer eigene Lösungen, die in sich, aber nicht mit dem Rest des Systems konsistent sind. Wer damit leben kann oder es möglicherweise sogar als Vorteil sieht, sollte zuschlagen. Dazu kommt, dass einige Elemente der UI frei konfigurierter sind, so z. B. der Dreifach-Tipp und die Anzeige der verschiedenen Bereiche wie „Suche“, „Favoriten“ usw.

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