GEMA siegt vor Hamburger Landgericht gegen YouTube

Alexander Trust, den 20. April 2012
YouTube IchSpielecc-Kanal
YouTube IchSpielecc-Kanal

Die Video-Plattform YouTube aus dem Hause Google und die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA) haben vor einem Hamburger Landgericht gegeneinander gestritten. Die Verwertungsgesellschaft hat nun gewonnen. Verändert dies nun das Internet, so wie manche das vorher prophezeien wollten, und vor allem den Umgang mit Urheberrechten im Internet in Deutschland? Noch nicht!

Denn sicherlich wird Google das Urteil der Hamburger Richter nicht einfach so hinnehmen, sondern versuchen in einer Revision zunächst am Oberlandesgericht ein anderes zu erstreiten. Zunächst einmal – bis ein anderes Urteil gefällt wird – muss sich YouTube aber an die Vorgaben der Richter aus Hamburg halten.

Präzedenzfall

Im Detail ging es um 12 Songs, bzw. Musikvideos zu Songs, von der die GEMA verlangte, YouTube müsse sie löschen, darunter zum Beispiel Rolf Zuckowskis „Im Kindergarten“ aus dem Jahr 1994 oder „Night in Motion“ von U96 mit Produzent Alex Christensen aus dem Jahr 1993. Die Songs hatte die GEMA vor dem Rechtsstreit mehr oder weniger wahllos ausgesucht, es hätten durchaus auch Videos zu anderen Songs von den derzeit knapp 65.000 Mitgliedern der Verwertungsgesellschaft sein können.

Löschen und Prüfen

Doch YouTube muss so unzufrieden mit dem Urteil gar nicht sein, denn immerhin wurde man von den Richtern am LG HH nicht als Täter, sondern nur als Mittäter, bzw. als Störer eingestuft. Google sei aber seinen Aufsichtspflichten nicht genügend nachgekommen, und die Richter hatten auch moniert, dass es nach der Anzeige durch die GEMA bei YouTube von missbräuchlicher Verwendung teils anderthalb Monate gedauert habe, bis YouTube die angemahnten Urheberrechtsverstöße aus der YouTube-Welt schaffte. Bei 5 der insgesamt 12 in der Verhandlung thematisierten Lieder wurde formal kein Urteil gefällt, da YouTube Videos zu den Songs bereits gelöscht hatte und keine neuen mehr hochgeladen wurden. Die anderen 7 muss YouTube nun löschen und ab sofort muss man neu eingesandte Videos daraufhin überprüfen, ob sie gegen die Rechte der durch die GEMA vertretenen Künstler verstoßen würden.

GEMA muss Content-ID nicht nutzen

Google hatte zu diesem Zweck ein System namens Content-ID zur Verfügung gestellt. Rechteinhaber konnten mittels des Systems nach Verstößen suchen und diese dann bei YouTube/Google anzeigen. Doch die Aufsichtspflicht sei Googles Aufgabe entschieden die Richter in Hamburg. Damit haben sie durchaus irgendwo Recht. Wenn man mittels User Generated Content Geld verdienen möchte, wie es das Geschäftsmodell von YouTube ja vorsieht, dann muss man zumindest selbst kommissarisch aktiv werden. Das System sich selbst zu überlassen, und zu hoffen, es wird schon nichts passieren, ist sicher nicht die richtige Strategie.

Algorithmus kann teuer werden

Jetzt muss Google aktiv werden, und sicher wird man dazu nicht Computer einsetzen können. Denn selbst die besten Algorithmen lassen immer noch eine Menge durch den Sieb fallen. Angesichts der Tatsache, dass das LG HH entschied, bei Verstößen gegen die Auflagen der Wahrung der Aufsichtspflicht könnte YouTube mit Ordnungsgeldern von „bis zu“ 250.000 Euro im Einzelfall bestraft werden, wird man schnell neue Leute einstellen müssen, die die Uploads prüfen. Bis zu 60 Stunden neues Videomaterial laden YouTube-Nutzer laut Angaben des Anbieters pro Minute hoch. Da kommt Freude auf.

Vorgeschichte

Dabei hatte alles eigentlich prima begonnen. So wie beispielsweise die GEMA derzeit für den Musik-aus-der-Wolke-Service von Apple, iTunes Match, ebenfalls eine Art Kennenlern-Vertrag mit einer überschaubaren Halbwertszeit hat, so waren die GEMA und YouTube zunächst ebenfalls angebandelt. Der Vertrag zwischen beiden lief 2009 aus. Danach ging es um’s Geld. Die GEMA wollte mehr als bisher von YouTube gezahlt, und vor allem auch pro Klick auf das Video bezahlt werden. YouTube wollte nicht so viel Geld ausgeben und verwies in den scheinbar zähen Verhandlungen auch immer wieder darauf, dass man in anderen Ländern mit anderen Verwertungsgesellschaften bereits Einigungen erzielt hatte.

dpa, AFP oder die Vertrauensfrage

Eher ein Exkurs ist der folgende Absatz über eine lustige Anekdote, die heute passierte, und einige der großen deutschen Online-Medien ganz schön alt aussehen ließ. Spiegel Online beispielsweise schrieb zunächst, vereinfacht formuliert, YouTube hätte gesiegt. Der Grund war, dass die Online-Journalisten dem System vertrauten, und dabei böse enttäuscht wurden. Das System – das sind die Nachrichtenagenturen mit ihren anhängigen Redaktionen und Journalisten, die viele Nachrichten weltweit aufbereiten, so dass die Informationen in den Lokal-Redaktionen nur noch umgeschrieben oder manchmal auch nur kopiert werden (müssen). Die dpa allerdings soll für den Fall der Fälle bereits Meldungen vorbereitet haben, um möglichst der Erste zu sein, der darüber informiert. Doch leider kam es zu Pleiten, Pech und Pannen: Gerade die falschen 50 Prozent erblickten das Licht der Öffentlichkeit, wie man online dokumentierte.

Bei Spiegel Online liest man unter dem nun geänderten Beitrag:

„Anmerkung der Redaktion: In einer ersten Version dieses Artikels hieß es, YouTube sei nicht verpflichtet worden, Titel zu löschen. Dies war die falsche Information einer Nachrichtenagentur. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.“
SpOn

Und was nun?

War das jetzt der große Wurf? YouTube wird jetzt vielleicht erst einmal versuchen, in Revision zu gehen. Doch das gefällte Urteil spielt dem Betreiber der Video-Plattform vielleicht sogar in die Karten. Denkbar wäre nämlich, dass YouTube nun eine Zeitlang tut, wie ihm geheißen und gnadenlos die Songs löscht, anstatt sich mit der GEMA wieder an einen Tisch zu setzen. Das jedenfalls wäre sogar richtig clever, aus psychologischer Sicht, wenngleich es teuer werden könnte. Zudem hätte diese Strategie sicherlich ein Geschmäckle aber den Vorteil, dass man die deutschen YouTuber weiter hinter sich bringt. Der Shitstorm gegen die GEMA in den Jahren nach 2009 war wegen der Maßnahme YouTubes ziemlich groß, eine Einblendung anzuzeigen, mit dem Hinweis, die GEMA würde die Ausstrahlung in deinem (unserem) Land nicht erlauben.

Faktisch hat die GEMA die Ausstrahlung nicht verboten, wollte nur Geld haben, mehr Geld als Google bereit war zu zahlen. Doch diese Medaille hat zwei Seiten und jeder hat sie sich gedreht, wie er wollte. Die einen dachten, die GEMA kriegt den Hals nicht voll, die anderen glaubten, dass YouTube ein böses Spiel spielte.

Die andere Möglichkeit wäre, sich unmittelbar wieder mit der GEMA an einen Tisch zu setzen, und in den sauren Apfel zu beißen und mehr Geld an die GEMA abzugeben als einem lieb ist. Aber auf lange Sicht – vermute ich ins Blaue hinein, ohne Kenntnisse genauer zahlen – dürfte es Google günstiger kommen, der GEMA mehr zu zahlen, als Hunderte oder Tausende von Personen einzustellen, die den ganzen Tag nichts anderes tun als hochgeladene Videos zu überprüfen. Denn spätestens wenn irgendwann jemand ein Video bei YouTube hochlädt und es dann heißt: Komm in 7 Tagen noch einmal wieder, dann haben wir das Video bearbeitet, werden dieselben Nutzer, die jetzt noch hinter YouTube stehen, sich möglicherweise von dem Dienst abwenden. Denn dann hat das ganze etwas von den vielen bunten Social Games dort draußen, in denen man X Minuten warten muss, bis man ein Beet anlegen kann auf seiner Farm, oder eine Rüstung vom Schmied angefertigt wurde. Dann wird am Ende die Frage lauten, was man weniger leiden kann.


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