Feigling ersten Grades: Frontal 21 und die Psychologie des Fernsehens am Opfer League of Legends

Alexander Trust, den 21. Dezember 2012
League of Legends: Boom-Boom Blitzcrank
League of Legends: Boom-Boom Blitzcrank

Das ZDF berichtete in Frontal 21 über ein Browsergame namens Horse aus dem Hause Ubisoft und das Free-to-play-MMOG von Riot Games, League of Legends. Beide Spiele kamen nicht besonders gut weg.

So wie der Beitrag „gemacht“ wurde, wird in Teilen leider auch Wissenschaft betrieben. Man sucht sich eine Fragestellung, und versucht auf Teufel komm raus eine Antwort darauf zu finden. Medienmacher allerdings stehen unter einem größeren Druck. Akademiker entscheiden immerhin noch über ihre Fragestellung und können diese anpassen. Wenn Medienschaffende keine „Story“ abliefern, dann geht es mit ihnen recht schnell steil bergab.

Feigling ersten Grades?

Wenn nun jemand einem eine Antwort präsentiert, die plausibel erscheint, fühlt man sich auf dem Olymp der Wahrhaftigkeit angekommen, ist aber leider nur in der Plausibilitäts-Kammer des Stammtisch-Schreckens festgehangen. Das ZDF berichtet von „Droh“-Mails, die von Riot Games an seine Spieler verschickt werden, wenn diese früher aus dem Spiel ausscheiden. Begründet wird dies mit einem Fall aus dem wirklichen Leben. Natürlich findet auch das ZDF eine bieder, gutbürgerliche Familie, dessen Sohn LoL spielt, so wie das Privatfernsehen Sozialhilfe-Empfänger aufgabelt, die an sich rumoperieren lassen, oder Familienmitglieder austauschen. Der Grad der Bildung spielt dabei keine Rolle. Wo ein Wille ist, ist eben auch ein Weg. Nur weil eben gerade diese Familie Weiser fand, dass ihr Sohn zu unrecht gepiesakt wurde, nahm man dieses negative Beispiel zur Hand, um den ZDF-Zuschauern die eine Seite der Medaille zu präsentieren. Tatsächlich aber weiß jeder, so eine Medaille hat zwei Seiten. Wo ist die dann abgeblieben? Zahlen wir nicht schon genug GEZ-Gebühren?

Es ist immerhin ein Mannschaftssport!

Doch zurück zum Spiel: League of Legends wird in Teams gespielt, zu je 5 Mitgliedern pro „Mannschaft“. Das stellt das ZDF richtig dar und fügt an, dass so eine Partie „bis zu anderthalb Stunden“ dauern kann. Ein Fußballspiel dauert auch 90 Minuten, oder? Man stelle sich einmal vor, dass in einem Mannschaftssport wie Fußball oder Volleyball, oder Basketball, oder Hockey, usw. usf. vor Ende der eigentlichen Spielzeit einer der Mitspieler eines Teams einfach aufhört mitzuspielen? Das Geschrei wäre groß. Die Übrigen im Team hätten das Gefühl, sie würden im Stich gelassen. Immerhin kann man „in Unterzahl“ rein statistisch seltener gewinnen, selbst wenn man es vorher gekonnt hätte. Wieso sollte man in digitalen Team-Spielen wie League of Legends also anders reagieren, liebes ZDF?

Wahrscheinlich aber hat der „arme“ 14-Jährige, Pubertierende auch vergessen den uninformierten ZDF-Mitarbeitern zu erzählen, dass bei League of Legends ein „demokratisches“ Element über Wohl und Wehe entscheidet und nicht „ein“ einziges Petzen dazu führt, dass der Account gesperrt wird. So wird es aber dargestellt. Tatsächlich berichten enttäuschte Mitspieler von unsportlichem Verhalten, erst dann muss aber das Tribunal darüber entscheiden, wie verfahren wird und natürlich kann auch der Betroffene Stellung beziehen. Wenn er bspw. erklärt, dass eine Internet-Verbindungstrennung Schuld war, steht er nicht mehr unter dem Verdacht, ein Feigling zu sein. Eine Sperre für einen Account wird zudem nicht unmittelbar durchgeführt. Spieler müssen sich mehr als ein unentschuldigtes Fernbleiben leisten, damit sie sanktioniert werden.
Doch an dieser Stelle kann man sich gerne wiederholen. Diese Sanktionen sind gut und richtig, weil es sich um einen Mannschaftssport handelt. Der Trainer wird Spieler für nächste Partien im Mannschaftssport mitunter auch nicht berücksichtigen, wenn sie ihr Team fahrlässig vorher im Stich gelassen haben. Warum sollte also etwas bei digitalem Teamsport anders gehandhabt werden als in der Realität? Das können freilich dann nur Medienpädagogen anno 2012 erklären und selbsternannte Computerspiel-Fachleute.

Psychologie der Übersetzung

Nun kann man sich über die Bezeichnung in der E-Mail an den 14-Jährigen aus dem Hause Weiser natürlich unterhalten. In den ersten Zeilen der E-Mail ist die Rede vom „Feigling ersten Grades“. Das ZDF behauptet nun, nicht ganz ohne tatkräftige Mithilfe des Cross-Dressers Pfeiffer, dass auf diese Art „Druck“ ausgeübt würde auf die Spieler, vor allem auf jugendliche Gamer. Immerhin ist LoL zugelassen ab 12 Jahren. 12-jährige Teamkameraden in der Fußballmannschaft wären nicht so zimperlich mit dem Kollegen umgegangen, der das Spielfeld frühzeitig verlassen hätte. Doch wollen wir an dieser Stelle nicht relativieren. Weisen wir stattdessen darauf hin, dass LoL nicht aus Deutschland stammt, sondern aus den USA. D. h., dass die Spieltexte und Hinweistexte in jedem Fall übersetzt werden. Jeder, der schon einmal Bücher, Filme oder Serien gelesen oder gesehen hat, die übersetzt wurden, dem leuchtet ein, dass es gute und schlechte Übertragungen in die andere Sprache gibt. Während ALF bspw. auch in deutscher Sprache komisch ist, sind die Simpsons im Original deutlich besser. Es ist also nicht zweifelsfrei gesagt, dass Riot Games die psychologische Wirkung dieser Worte tatsächlich genau so geplant hat. Und so wie z. B. Redaktionskollege Samy Chae die Mitarbeiter von Riot auf der GamesCom kennen gelernt hat, zeigen diese sich solchen Hinweisen gegenüber sehr offen, und werden vielleicht die Sprache an der Stelle anpassen, weil es selbst nicht in ihrem Sinn ist, Spieler zur Minna zu machen. Damit gerade das nicht passiert, hat man ja das Tribunal überhaupt erst eingerichtet.

Browsergames und Freemium

Nicht unterschlagen möchten wir an der Stelle, dass das ZDF bei der Berichterstattung über Freemium- oder Free-to-play-Browsergames durchaus auch einen kritischen Nerv getroffen hat. In allen Spielen, in denen gegen Geld irgendwelche Fähigkeiten, Items oder andere Mittel zur Beschleunigung des Spielfortschritts angeboten werden, ist das Spielziel nicht in jedem Genre-Vertreter klar erkennbar. Bei manchen Städtebau-Simulationen haben wir selbst von großen Publishern hören dürfen, dass manche Fehler bekannt sind, und man an deren Beseitigung arbeite. Dass Spielern durch diese Fehler teilweise Geld verbrennt, und dass beim Spiele-Design durchaus auch Kräfte am Werk sind, die die Gewinnmaximierung im Sinn haben. Darüber brauchen wir uns keinen Illusionen hingeben. Entsprechend ist es wichtig, hinzuschauen und aufzurütteln, aber in puncto League of Legends hätte die Redaktion von Frontal 21 nicht einseitiger berichten können.
Und wo wir gerade bei Browsergames sind. League of Legends ist keines, selbst wenn ein vermeintlicher Fachmann, dessen Expertise bis ins Jahr 1995 zurückreicht, seinen Schlips tragenden Lesern das weismachen möchte.


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