Ausbruch aus dem Apple-Ökosystem – Ein Versuch (Teil 2 – Windows Phone 8)

mz, den 1. April 2013
Windows Phone 8 - Logo
Windows Phone 8 – Logo

Der Versuch geht in die zweite Runde: Ein Smartphone mit Windows Phone 8 in einer komplett Apple-dominierten Umgebung – geht das? Im zweiten Teil unserer Serie unter dieser Fragestellung folgen heute grundlegende Informationen zum Betriebssystem und eine Übersicht über die Vor- und Nachteile gegenüber iOS.

Zur Serie: Letzte Woche habe ich euch das zur Verfügung stehende Gerät – ein Nokia Lumia 820 – vorgestellt. Zwar hat der finnische Hersteller uns mittlerweile ein Testgerät des Modells Lumia 920 zugesagt, welches nächste Woche eintreffen wird. Da der Test nun aber bereits in die zweite Runde geht, bleibt hier das Lumia 820 auch wegen weitgehend identischer Hardware das Versuchsobjekt.

In diesem Teil geht es um grundlegende Eigenschaften von Windows Phone 8, ab der nächsten Woche folgen dann Einzelbeobachtungen, die etwas mehr ins Detail gehen, zum Beispiel zur Cloud-Integration, den Kamerafeatures, App-Auswahl etc. Wenn Ihr Wünsche habt, worauf ich noch eingehen soll, benutzt die Kommentarfunktion! Ich versuche dann, eure Anfragen in die nächsten Teile einzuarbeiten.

Eine andere Dimension – oder doch nicht?

Windows Phone 8 ist anders. Klingt zunächst banal, man muss sich aber in der Tat darauf einlassen. Zum Start und Betrieb des Geräts muss man sich eine Windows Live ID einrichten. Hierüber läuft dann – entfernt ähnlich der Rolle von iTunes bei iPhones – im Prinzip alles, wenn auch nicht zwingend. Eine E-Mail-Adresse @live.com ist enthalten, muss aber nicht genutzt werden. Wichtig ist hier das Portal unter live.com, von wo aus sich die meisten Online-Dienste wie Kalender, Apps etc. verwalten lassen.

Der „Homescreen“ auf dem Lumia ist eine symmetrisch angeordnete Ebene aus „Live-Kacheln“. Die heißen so, weil die meisten von ihnen in der Lage sind, direkt Informationen über den Inhalt anzuzeigen. Beispielsweise sind von Anfang an Dienste wie Twitter, Facebook, Linkedin tief ins System integriert. Microsoft bietet hier eine „Ich“ genannte Kachel, in der alle Updates und Benachrichtigungen der konfigurierten Dienste zusammengefasst werden. Kontakte werden außerdem dann nach Anmeldung auch aus diesen sozialen Netzwerken übernommen.

Die Kacheln können in drei verschiedenen Größen und aktuell 20 Design-Farben mehr oder weniger Infos anzeigen. Es empfiehlt sich also beispielsweise, den Kalender groß, Twitter und Facebook mittelgroß und die Einstellungen-App, die ohnehin nur ein Zahnrad zeigt, klein anzeigen zu lassen, damit der Homescreen möglichst individuell ist. App-Entwickler können verschiedene Kachelfarben integrieren, damit die Anwendungen optisch perfekt zum Rest passen. Bei mir sieht das so aus:

Vom Homescreen aus wischt man einmal nach links, woraufhin sich die Liste aller installierten Anwendungen zeigt. Alphabetisch angeordnet, erfordert das ein wenig Scrollarbeit. Ein Tipp auf einen der Buchstaben öffnet aber ein Alphabets-Popup, in dem dann auch schnell nach „W“ wie „WhatsApp“ gesprungen werden kann.

Wie Android-basierte Smartphones gibt es ein paar Hardware-Tasten am unteren Bildschirmrand. Der Pfeil nach links ist systemweit für „Zurück“ verantwortlich, was ab und zu für Verwirrung sorgen kann (siehe unten). Ein langer Druck öffnet die Multitasking-Umbegung. Die mittlere Taste mit dem Windows-Symbol (wie die gesamte Marke mit Version 8 symmetrisch angepasst) leitet von überall aus zurück zum Homescreen, während die Lupe die Bing-Suche öffnet. Hier kann das Internet durchsucht werden, oder aber man bedient sich der integrierten Songsuche (wie Shazam/Soundhound unter iOS) bzw. kann von hier aus auch Strichcodes scannen.

Der Browser ist der Mobile Internet Explorer und funktioniert zufriedenstellend, wenn auch hier mit die meisten Abstriche gemacht werden müssen. Die erstaunlichen Probleme, die sich dabei zeigen, finden sich unten unter „Nachteile“.

In den Einstellungen gibt es viele Möglichkeiten zur Anpassung von Windows Phone 8 an den eigenen Geschmack. Hier werden Konten hinzugefügt („E-Mail & andere“) und alles weitere konfiguriert. Unterschiede finden sich in der Interpretation dessen, was nötig ist: So kann die Displayhelligkeit nicht via Regler stufenlos, sondern auf „niedrig“, „mittel“ oder „hoch“ festgelegt werden. Zwar gibt es auch einen Schalter für die automatische Regelung, mir persönlich ist selbst die geringste Helligkeit im Dunkeln noch zu grell.

Nokia spielt mit

Eine Besonderheit der Lumia-Modelle ist die Integration eigener Nokia-Apps. Diese Dienste haben die Finnen vor längerem programmiert, um die Symbian-Software bei sinkendem Marktanteil zu retten und wurden hier schlicht übernommen. Und sie werten das System tatsächlich auf.

Hierzu gehören beispielsweise eine Nokia-eigene Karten-App mit äußerst aktuellem Satellitenbildmaterial, die zügig funktioniert. Autofahrer freuen sich über die komplett kostenlose und – sagenhaft – weltweite Navigation. Es muss nur vorher in einem WLAN das benötigte Kartenmaterial geladen werden. Wie gut die Anwendung funktioniert, kann ich nicht sagen, aber gegenüber den kostenpflichtigen Apps von TomTom & Co. ist das eine angenehme Sache. Zudem gibt es die Augmented-Reality-App „City-Kompass“, die auf dem Kamerabild wichtige Orte in der Nähe anzeigt und direkt Routen berechnen lässt.
All diese Apps befinden sich aktuell in einer Rebranding-Phase. Statt „Nokia“ heißen sie nun „Here“. Ich unterstelle, dass man damit gleichzeitig eine Verjüngung wie den Versuch unternimmt, den Ruf der Marke etwas zu verbessern.

Soviel zunächst zum Überblick. Weitere Informationen folgen in den unten stehenden Vorteil- und Nachteil-Listen sowie in den nächsten Wochen, wenn spezielle Apps und Features genauer untersucht werden. Bitte beachtet, dass es sich größtenteils um subjektive Einschätzungen handelt.

Vorteile

  • Sehr schön finde ich, dass man das komplette Systemdesign mit den verschiedenen Farben schnell nach Laune anpassen kann. Alle Apps, die das Feature unterstützen, ändern gleichzeitig ihr Aussehen. Es könnten aber durchaus noch mehr Farben beigelegt werden, Schwarz und Weiß zum Beispiel fehlen.
  • Das System läuft flüssig und zuverlässig und die einfache Bedienung über den Homescreen und die App-Liste erfordern nur wenig Eingewöhnung.
  • Die von Nokia integrierten Dienste sind ein deutlicher Gewinn und mit die stabilsten Apps im System. Während der City-Kompass vermutlich eine kleinere Zielgruppe hat, können die Karten locker mit Apples Maps mithalten. Ob man sie Google Maps vorzieht, muss jeder selbst entscheiden.
  • Es scheint für Entwickler eine Designvorlage zu geben, die die App mehr oder weniger automatisch an das Systemdesign anpasst. Das sorgt für viel Kontinuität innerhalb von Windows Phone 8.
  • Die Installation von Apps kann vom Gerät aus oder am Rechner erfolgen. Wie bei anderen System (z. B. XBOX) geht das über das Live-Portal am Rechner. Eine zusätzliche Instanz wie iTunes ist nicht notwendig. Dazu später mehr.

Nachteile

  • Der integrierte Mobile Internet Explorer hat keine „Vor“-Funktion. Zurück zur letzten Seite gelangt man über den festen Zurück-Button unten links, wieder vor auf die letzte Seite kommt man dann nicht. Neben der Adresszeile finden wir nur einen Button, der entweder mit „Tabs“, „Neu laden/Stopp“ oder „Favoriten“ belegt werden kann.
  • Das Multitasking ist nicht ausgereift. Kurz und knapp wird in der Anleitung darauf hingewiesen, dass Apps ebenfalls über die Zurück-Taste geschlossen werden. In Apps mit mehreren Ebenen allerdings müssen alle durchgeführten Schritte rückwärts durchgegangen werden. Zum Beispiel im Browser alle in der aktuellen Session besuchten Seiten. Das Betriebssystem hat hier nämlich keine Möglichkeit, zwischen „App schließen“ und „Eine Seite zurück“ zu unterscheiden. Auch in der Multitasking-Übersicht kann man eine App nur wieder aufrufen, nicht aber schließen.
  • Viele Apps sind nicht ausgereift. Während es scheinbar für Entwickler leichter ist, Apps zu schreiben, die sich designmäßig ins OS integrieren, fehlt dort eine Vielzahl von Funktionen. Das beste Beispiel ist die offizielle Facebook-App. Während man unter iOS mittlerweile fast alle Aktionen durchführen kann, die auch die Website bietet, beschränken sich die Funktionen in innerhalb von Statusmeldungen in WP8 auf „Like“ und „Kommentieren“.
  • Gibt man im Browser einen Suchbegriff ein, wechselt kurz in eine andere App, um die Buchstabierung nachzuschauen, und dann zurück zum Browser, ist Suchfeld wieder auf die letzte URL zurückgesprungen. Alles muss nun neu eingegeben werden.
  • Wer einen Suchbegriff eingibt und auf „Ausführen“ tippt, öffnet damit zwangsläufig ein neues Tab. Zuerst öffnet sich eine Ansicht der Suchergebnisse, die Adresszeile wandert komischerweise an den oberen Bildschirmrand. Wenn man dann einen Link antippt, wird dieser in einem neuen Tab geöffnet. So verstopft man sich den Arbeitsspeicher unter Umständen recht schnell mit Websites, die man eigentlich gar nicht mehr braucht. Die Suche und jedes Zurückspringen zum Internet Explorer werden dabei im Multitasking jeweils als eigene App angezeigt.
  • Geschäftliche Nutzer wird ärgern, dass Windows Phone 8 bisher keine CalDav- oder CardDav-Anbindung hat. Den Server im Büro mit den Terminen des Teams kann ich vom Lumia aus also nicht ansteuern. Die beruflichen Kontakte ebensowenig. Hier bliebe nur der Ausweg des Exports in ein Google- oder das Live-Konto.

Ab nächster Woche geht es ans Eingemachte, wenn die tatsächliche Integration in den Mac-Alltag untersucht wird. Was hat euch heute gefehlt? Welchen Bereich soll ich dabei als erstes genauer unter die Lupe nehmen? Ist euch der Vergleich mit iOS wichtiger, die Synchronisation mit dem Mac oder die Nutzung von Apple-üblichen Cloud-Diensten? Antwortet bis Mittwoch und ich lasse die Mehrheit entscheiden!

Weitere Teile der Reihe Ausbruch aus Apple-Ökosystem


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