bit.ly setzt Affiliate-Links – und wo ist der Skandal?

Stefan Keller, den 8. Mai 2015

Der URL-Kürzungsdienst bit.ly hat ein Problem: Seine Aufgabe ist, lange Internetadressen in kurze URLs umzuwandeln, die auf die Weise Microblogging-tauglich werden. Sein Kapital ist die kurze Domain, aber davon allein kann man nicht leben. Also werden nun Links in Affiliate-Links umgewandelt. Na und?

Seit gestern Abend geistert durch die sozialen Netzwerke dieser Welt die Meldung, dass bit.ly heimlich Links dahingehend modifiziert, dass Affiliate-Tags angehängt werden. Das funktioniert dann in etwa so: Ein User möchte einen Link zu Amazon beispielsweise bei Twitter posten. Noch aus alter Gewohnheit, als Twitter URLs noch nicht mit t.co verkürzte, erstellt er einen bit.ly-Link. Einerseits spart das Zeichen, andererseits erlaubt bit.ly eine Aufrufstatistik zu sehen, sodass man sieht, wie der Link bei den Followern ankommt. Beim Aufruf wäre es der Job von bit.ly, einfach auf die Ziel-URL weiterzuleiten, stattdessen modifiziert bit.ly den Link zu Amazon so, dass der eigene Affiliate-Tag gesetzt wird. Kauft ein Follower nun das Produkt, bekommt bit.ly die Provision.

bit.ly möchte und muss Geld verdienen

Bei bit.ly handelt es sich nicht um ein Freizeitprojekt, das auf einem V-Server liegt und sich für 4,99 Euro im Monat plus Domain finanzieren lässt. Stattdessen haben 19 Investoren insgesamt 31,4 Millionen Dollar (2,9 Millionen Euro) in das Unternehmen gesteckt – und das Geld möchte man gerne wiedersehen. Nun ist es bei bit.ly so, dass es eine API gibt, mit der Links erstellt werden können und der Anwender, der den Link anklickt, will direkt weitergeleitet werden. Eine mit Werbung versehene Vorschaltseite dürfte den sicheren Tod des Dienstes bedeuten. Wegen der API bekommen ohnehin nur wenige Nutzer die Webseite von bit.ly zu Gesicht, Werbung fällt daher als alleinige Finanzierungsmethode ebenfalls flach. Also muss man mit anderen Methoden Geld verdienen.

Wo ist der Skandal?

Liest man die Berichte im Netz, klingt es so, als ob das Treiben von bit.ly ein Skandal ist. Auf jeden Fall ist die Idee an sich nicht neu, denn auf den Artikel bei om8 antwortete ein gewisser Richie (damals Administrator im gulli:board), dass dort bereits seit 2007 der Redirektor-Dienst anonym.to mit gleichen Mitteln weitergeleitet hat. Was sich unterschied, war nur, dass der Sinn dieses Redirectors ein anderer ist, nämlich, um die Herkunft eines Besuchers zu verschleiern. Deshalb wurden im gulli:board alle von Usern geposteten Links mit dem Redirector versehen.
Auf jeden Fall bleibt eine alte Weisheit festzuhalten: Wenn ein Dienst kostenlos ist, sind die eigenen Daten die Bezahlung. Das ist im Falle von bit.ly nicht anders. Man stelle sich vor, der Dienst würde eingestellt: Unzählige Beiträge in sozialen Netzwerken, Newslettern und anderswo wären über Nacht unbrauchbar.
Problematisch ist einzig, dass bit.ly diese Praxis nicht kommuniziert hat. Aber andererseits: Wäre es wirtschaftlich gesehen clever, in einer so auf Sensation ausgelegten Gesellschaft alle Karten auf den Tisch zu legen? Dann könnte man sich genauso gut auf die mit Werbung ausgestattete Vorschaltseite einigen. In beiden Fällen besteht die Gefahr, dass die User genervt sind oder verunsichert werden und stattdessen einen anderen Dienst nutzen.

Das Problem liegt anderswo

Mein Eindruck ist, dass das Problem ganz woanders liegt, nämlich darin, dass ein Esel den anderen ein Langohr nennt. In welchen Situationen ist es denn wirklich ein Problem, dass bit.ly seinen eigenen Affiliate-Tag an den Link anhängt? Eigentlich nur dann, wenn mein Tag dadurch ungültig wird, weil ich dann potenziell Geld verliere. Aber dann stellt sich von Anfang an die Frage, warum ich überhaupt externe Dienste damit beauftrage, meine Links zu kürzen und es ihnen so einfach mache, meinen Tag gegen ihren auszutauschen. Bei Twitter könnte man den mit Affiliate-Tag behafteten Amazon-Link einfach so wie er ist posten, t.co würde ihn kürzen und alles ist gut. Dann aber sieht der Follower womöglich, dass ich mit dem Link gerne ein paar Cent verdienen möchte und klickt vielleicht nicht. Hinter einem URL-Shortener versteckt, sieht die Sache anders aus. Was genau würde denn dagegen sprechen, sich einen eigenen zu basteln? Problem gelöst. Dort, wo ein fairer Umgang gefordert wird, ist der unfaire Umgang nur deshalb „unfair“, weil bit.ly am vermeintlich längeren Hebel sitzt.

Und der Anwender wird zur Cookieschleuder?

Ein weiteres oft gelesenes Argument, warum die Praxis von bit.ly „gar nicht geht“, ist, dass der nichts ahnende User auf diese Weise in jedem Fall zur „Cookieschleuder“ wird. Es wäre nicht anders, wenn bit.ly das offen kommuniziert, und selbst dann nicht wenn der User auf einen öffentlich sichtbaren Affiliate-Link klickt. Der Nutzer interessiert sich nicht dafür, ob er über Bit.ly „geworben“ wurde, aber der Reiz eines Partnerprogramms ist doch, dass der Kunde nicht mehr bezahlen muss, aber der Werbende trotzdem etwas abbekommt. Aus diesem Grund werben so viele Nutzer andere Nutzer, aus diesem Grund sind Affiliate-Programme so populär. Nur an dieser Stelle sind wir wieder bei dem Punkt, dass man, wenn man nicht möchte, dass jemand anderer verdient, sich schlicht nicht auf fremde Dienste verlassen.


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