Kommentar: Groove setzt Xbox auf Anfang, sogar Ende?

Alexander Trust, den 7. Juli 2015
Kommentar
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Microsoft hat sein Musik-Streaming-Angebot Xbox Music umgetauft, es heißt jetzt Groove. Damit vollzieht das Unternehmen abermals einen Wechsel in der Strategie. Es ist noch gar nicht so lange her, da wollte man die Xbox zur Medienzentrale machen. Steht die Gaming-Plattform nun sogar vor dem aus?

Viele Beobachter der Videospiel-Szene stellten nach dem Ende der diesjährigen Electronic Entertainment Expo (E3) fest, dass Microsoft gegenüber Sony und dessen PlayStation 4 Boden gutgemacht hat. Der größte Pluspunkt war die Ankündigung, die Xbox One abwärtskompatibel zur Xbox 360 zu machen.

Xbox als Medienzentrale

Dreht man die Zeit zwei Jahre zurück und blickt auf die E3 2013, als sowohl PlayStation 4 als auch Xbox One angekündigt worden waren, befand Microsoft sich in einem Dilemma. Im Vorfeld der Messe waren Pläne bekannt geworden, dass man eine ständige Internetverbindung benötigen würde und selbst mit einer gekauften CD nicht bei Freunden spielen könnte. In beiden Fällen zog Microsoft die Reißleine und ruderte zurück. Doch da war das Kind bereits in den Brunnen gefallen.
Neben weiteren Dingen, die „Gamern“ übel aufstießen, hatte Microsoft damals den Plan gefasst, aus der Xbox One eine Medienzentrale machen zu wollen und Xbox zur Medienmarke aufzubauen. Xbox Music und Xbox Video sollten dabei helfen. Apps fürs Smartphone und Tablet sollten die Inhalte unterwegs verfügbar machen, Kinect für Videokonferenzen mit Skype, das ebenfalls zu Microsoft gehört, eingesetzt werden.

Der PC als Plattform

2015 muss man feststellen, dass Microsofts Pläne nicht aufgingen und deshalb die Strategie jetzt eine ist, die Steve Jobs bereits 2001 auf der MacWorld propagierte und die fortan Apples Idee von Produkten veränderte: der PC als Hub.

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Die Umbenennung von Xbox Music zu Groove degradiert die Xbox wieder zu dem, was sie groß gemacht hat, einem „Gaming Device“ für Zocker. Die Zielgruppe findet das toll, weshalb die Verkaufszahlen zuletzt zulegen konnten. Ein Vorteil der PlayStation 4, die vermeintliche Abwärtskompatibilität, konnte Microsoft sogar medienwirksam gegen den japanischen Konkurrenten richten. Denn Sony Computer Entertainment bietet diese Abwärtskompatibilität nur über einen Cloud-Service, den es sich verhältnismäßig teuer bezahlen lässt. Bei Microsoft kann jeder, der ein Spiel für die Xbox 360 besitzt, es automatisch auf der Xbox One nutzen, sofern es kompatibel ist, ohne dafür zahlen zu müssen.

Diese Details beiseite geschoben, hat Microsoft schon seit einiger Zeit „Windows“ wieder ins Zentrum seiner Bemühungen gesetzt. Smartphones des Herstellers sollen künftig mit Windows 10 ausgerüstet werden, Tablets ebenfalls. Nach der Übernahme von Nokia ließ Microsoft eigene Mobiltelefone produzieren, außerdem bietet man mit dem Surface ein eigenes Tablet an. Damit Microsoft noch mehr zu Apple würde, fehlt nur noch, dass der Hersteller eigene Personal Computer produziert. Zuletzt gab es sogar Gerüchte, dass man in Redmond über eine Übernahme von Grafikkarten- und CPU-Hersteller AMD nachdenke. Ob Apple dann in seinen Macs wieder mehr auf Nvidia-Produkte setzen würde?

Xbox vor dem Aus?

Was bedeutet das Alles für die Xbox? In jedem Fall hat Microsoft der Marke 2015 wieder weniger Spielraum gegönnt, nachdem die Allmachtspläne für die Plattform aus 2013 gescheitert sind. Sie wären vielleicht sogar geglückt, hätte Microsoft besseres Marketing betrieben und Funktionen nicht einführen wollen, die man später auf Druck der Fans noch vor der Veröffentlichung zurücknahm.

Doch darüber hinaus gibt es Pläne, dass schon ab Herbst Windows 10 auf die Konsole kommen soll, die, wie auch Wii U und PlayStation 4 mit einem SoC von AMD ausgerüstet ist, und also eine x86-Plattform. Die Xbox One ist also deutlich mehr PC als ihr Vorgänger und lustigerweise wieder mehr PC, so wie die Ur-Xbox es war. Schon jetzt ist angedacht, dass man Xbox-Spiele auf den PC streamt. Doch meiner Meinung wird man über kurz oder lang PC-Spiele vom Windows-Computer auf die Xbox One „streamen“ können, womit sie zur Set-Top-Box umfunktioniert wird, zum Empfänger im Wohnzimmer.

Wenn man sie quasi nur noch als Set-Top-Box benutzt, und sie nicht mehr selbst rechnen muss, hat die Xbox dann noch eine Zukunft? Darüber möchte ich zum jetzigen Zeitpunkt keine endgültige Aussagen treffen. Denn einerseits gibt es Beobachtungen, dass auch andere Hersteller wie Nintendo und Sony keine weitere „klassische“ Spielekonsole als geschlossenes System mehr anbieten werden, auf der anderen Seite könnte Microsoft zumindest die Marke Xbox selbst dann noch gewinnbringend nutzen, wenn man tatsächlich eines Tages selbst PCs produzieren würde, und zwar ähnlich wie Dell es mit der Marke Alienware macht. Zudem hat Virtual Reality noch einmal eine neue Nuance in dieses Thema gebracht, die man noch nicht überblicken kann. Denn es gibt VR-Lösungen sowohl für Smartphones (Android, Samsung Gear VR), als auch für Konsolen (PS4, Project Morpheus) und PCs (Oculus Rift, HTC Vive).


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