Warum die eSim nicht im Konjunktiv betrachtet werden kann

Alexander Trust, den 21. Juli 2015
Kommentar
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Jochen G. Fuchs von t3n möchte gerne im Konjunktiv die eSim von Apple und Samsung beurteilen, die noch einige Zeit auf sich warten lassen wird, obwohl das Konzept endlich Fortschritte macht.

Ich möchte dem t3n-Redakteur Jochen Fuchs gerne widersprechen in seiner Meinung, die eSim von Apple und Samsung sei „eine Katastrophe für Nutzer und Netzbetreiber„.

Bereits zu Beginn seines Kommentars gibt Fuchs vor, worauf seine Beurteilung der „Embedded Sim“ beruht:

„Jubel und Freude ist allerdings nicht angebracht, denn die Abschaffung der Sim-Karte könnte sich zum größten anzunehmenden Unfall für die Mobilfunknutzer entwickeln.“
Jochen G. Fuchs

Ich habe extra den Konjunktiv hervorgehoben. Fuchs ist offenbar von der Idee der eSim nicht überzeugt. Er sieht darin eine Gefahr, die die Auswahl der Kunden einschränken wird, und die die Mobilfunkprovider zudem lähmen würde. Er sagt aber bewusst, es „könnte“ so kommen. Auf dieser subjektiven Annahme fußt der ganze Kommentar in der Folge.

Apple SIM kein Argument

Apple hat bereits mit der Apple SIM Versuche unternommen, um Nutzern den reibungslosen Wechsel von Mobilfunkanbietern zu ermöglichen, und zwar per Schieberegler in den Einstellungen der Varianten des iPad Air 2 und iPad mini 3, die damit kompatibel waren. In den USA und Großbritannien ist das Angebot zunächst veröffentlicht worden, kam jedoch später auch nach Deutschland. Hierzulande gab es jedoch den Anbieter GigSky, der überhaupt Tarife für die Nutzung mit der Apple SIM anbot. Fuchs spielt also auf einen Nischenanbieter an, der nur deshalb allein dastand, weil die übrigen Mobilfunk-Provider das Konzept und/oder die Bedingungen ablehnten. Schon jetzt hat in Form der Telekom ein Anbieter öffentlich Interesse an dem Konzept der eSim bekundet. Dies widerspricht der Befürchtung Fuchs‘.

Doch Fuchs verlinkt in diesem Kontext nicht umsonst auf einen Artikel auf der eigenen t3n-Seite, in dem auch erwähnt wird, dass die Anbieter in den USA den „einfachen“ Wechsel der Verträge zerstört hätten. AT&T beispielsweise war nicht glücklich mit dem Konzept der Apple SIM. Im Ergebnis führte dies wozu? AT&T hat per Software einen SIM-Lock installiert, bzw. darauf bestanden, dass Apple diesen setzt, sobald der Nutzer den Vertrag bei AT&T genutzt hatte. Also hat Apple sehr wohl Bedingungen von Mobilfunkprovidern erfüllt, damit diese beim Versuch der Apple SIM dabei waren.

Doch genau dies stellt Fuchs für die eSim von Apple und Samsung in Abrede, behauptet stattdessen, sie würde der Untergang der Wahlfreiheit werden und Anbieter unter das Joch von Apple und Samsung bringen. Dass Apple selbst als wertvollste Aktiengesellschaft nicht allen auf der Nase rumtanzen kann, zeigte zuletzt die Einführung von Apple Music. Apple hätte gerne den Nutzern ein noch günstigeres Abo-Modell angeboten, musste aber trotz seiner Marktmacht beim Verkauf digitaler Musik ein Preisniveau akzeptieren, das die Konkurrenz ebenfalls anbietet. Die Musikindustrie hat sich erfolgreich dagegen gewehrt. Warum sollte das bei den Mobilfunk-Anbieter anders sein?

SIM-Karten schon jetzt ohne Nummer

Wer im Telekom-Laden schon einmal genau hingeguckt hat, wird festgestellt haben, dass die Mitarbeiter nicht eine spezielle, sondern irgendeine SIM-Karte aus der Schublade holen. Denn SIM-Karten haben schon jetzt keine eindeutige Zuordnung. Sie haben eine Kartennummer, und dieser Kartennummer wird über die Vermittlungsstellen eine Rufnummer zugewiesen. Ein bisschen vergleichbar ist dies mit numerischen IP-Adressen und Domainnamen. Fuchs behauptet aber, dass die eSIM, die ja ebenfalls nur eine beliebige Kartennummer aufweist, nicht die Nutzung von zwei Geräten mit demselben Anschluss ermöglicht.

Kunden ohne Wahl?

„Die eSim entreißt dem Endkunden jegliche Kontrolle über Anbieter oder Tarifwahl, denn sicher dürfte sein: Die Anbieterauswahl in den begehrten High-End-Geräten wird vorselektiert sein.“
Jochen G. Fuchs

Wieder nutzt Fuchs den Konjunktiv. Er „kann“ gar nicht wissen, wie die eSim im Detail funktionieren wird. Weder Apple noch die Mobilfunk-Anbieter haben zu dieser Entwicklung irgendwelche Details preisgegeben. Doch Fuchs möchte anscheinend gerne, dass seine Spekulationen der Wahrheit entsprechen.

Verlinkt wird an dieser Stelle unter anderem ein Beitrag der Zeit, in dem es heißt, dass ein Nachteil der eSim sei, man könne „dieselbe SIM“ nicht in verschiedenen Geräten nutzen. Das ist richtig. Doch die Anbieter wie O2, Telekom oder Vodafone könnten Kunden auch ohne SIM Verträge verkaufen, und zwar solche, die via Login und PW mittels eSim einzurichten sind. Heute bestellen Kunden für so etwas eine Partner-SIM oder eine „Zweitkarte“. Das wäre dann nicht mehr „nötig“. Der Kunde könnte trotzdem, so wie bei anderen stationären Internet-Verträgen auch, mittels Login und Passwort die Autorisierung auf unterschiedlichen Geräten vornehmen.

Spielt Vodafone nicht mit?

Fuchs wirft außerdem Vodafone in die Waagschale. Konkret bezieht er sich auf ein Interview der Rheinischen Post mit Jan Geldmacher, der bei Vodafone das Großkundengeschäft betreut. Dieser hat überhaupt keine klare Antwort auf die Frage gegeben, ob sein Unternehmen Apples eSim unterstützen wird. Warum? Weil Geldmacher das womöglich gar nicht entscheiden kann.

„Ich gehe nicht davon aus, dass wir dieses Konzept unterstützen werden.“
Jan Geldmacher

Geldmacher nimmt in diesem Kontext die Rolle eines Fußballtrainers ein, der sagt, was er denkt, und eine Woche später wird der Spieler des Vereins trotzdem transferiert, weil der Übungsleiter am Ende nicht das Sagen hat.

Darüber hinaus hat beispielsweise die Telekom bereits zugesagt, die eSim unterstützen zu wollen. Diese Information stammt ebenfalls aus einem Artikel, den Fuchs verlinkt hat. Nun muss man sich gleich mehrere Fragen stellen. Einerseits: Kann sich Vodafone erlauben, wenn andere Hersteller mitmachen, selbst nicht mit zu machen? Und warum will die Telekom die eSim unterstützen, hat aber die Apple SIM vorher nicht unterstützt? Wahrscheinlich hat dies damit zu tun, dass das neue Konzept von Apple und Samsung andere Bedingungen zur Teilnahme vorgibt. Die kennen wir jedoch nicht. Dass Fuchs trotzdem den Miesepeter spielt, der die Idee von Beginn an schlecht redet, ist seine persönliche Meinung, die ihm niemand nehmen möchte.

Gar keine Freiheit oder unendliche Möglichkeiten?

Skizzieren wir vielmehr zweierlei Szenarien, zwischen denen die eSIM letztlich angesiedelt sein wird: Angenommen, es kommt tatsächlich so, wie Fuchs es behauptet, dann würde Apple eher weniger iPhones und iPads verkaufen können, weil schon jetzt einige Kunden zwar bereit sind, die Mehrkosten für das hochwertige Gerät aufzubringen, nicht aber gleichzeitig einen Premium-Tarif dazu bezahlen möchten. Für Samsung gilt selbiges. Nicht 100% der Kundschaft nutzt T-Mobile, sondern ist froh über Alternativen wie Congstar, Simyo, Tchibo Mobil, 1&1 und viele anderen mehr. Schließlich haben nicht alle Apple- und Samsung-Kunden einen Goldesel daheim stehen. Ob aber vor allem Apple sich wirklich erlauben kann, in Zeiten stetig sinkender iPad-Verkaufszahlen eine eSim einzuführen, die den Kundenkreis noch weiter einschränkt? Ich denke nicht, und deshalb finde ich das Szenario von Fuchs absurd. Unmöglich ist es freilich nicht.

Stellen wir ihm aber ein anderes Szenario entgegen, das in dieser Form wahrscheinlich ebenfalls nicht zu 100 Prozent realisiert werden wird: Nutzer bekommen die Möglichkeit tatsächlich per Einstellungen die SIM-Karte zu ändern. Dies führt zu mehr Wechseln und mehr Konkurrenz. Urlauber können über Apps ein Mobilfunk-Angebot kaufen/abonnieren, das ihnen dann über die Einstellungen für die eSIM eingerichtet wird. Dies führt dazu, dass die Mobilfunkanbieter weniger Ausgaben für den Support bereitstellen müssen und unter Umständen gibt es in den Fußgängerzonen ein paar weniger Telekom-Läden, weil die Kunden nicht in den Laden müssen, um den Anbieter zu wechseln und auch die Online-Hilfe bemühen können, statt einen Mitarbeiter vor Ort aufsuchen zu müssen.


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