32C3: Stasi-Akten geben Auskunft über Geheimdienste

Alexander Trust, den 1. Januar 2016
32C3 - What does Big Brother see while he is watching?
32C3 – What does Big Brother see while he is watching?

Auf dem 32C3 stellte Simon Menner Ergebnisse dreijähriger Nachforschungen von Stasi-Akten vor, in erster Linie Fotos. Menners These lautet: Wir können sehr viel über unsere Geheimdienste lernen, wenn wir uns die verfügbaren Materialien ansehen.

Es sei ein Glücksfall, dass die Stasi als Geheimdienst durch die deutsche Wiedervereinigung so viel Material offenlegen musste. Es gäbe Archive, in denen jeder Bundesbürger Nachforschungen anstellen kann, wenn er denn nur will. Menner hat in über drei Jahren solche Nachforschungen angestellt, darüber auch ein Buch geschrieben und außerdem Materialien anderer Geheimdienste, wie der ehemaligen CSSR (heute Tschechische Republik) oder sogar des BND auswerten können.

Geheimdienste verweigern sich der Überwachung

Doch gerade darin liegt das Problem. Während Menner Akten und Bildmaterial der Stasi durchforsten konnte, gab der BND lediglich etwas mehr als ein Dutzend Fotos frei. Darauf zu sehen waren so belanglose Dinge wie eine Streichholzschachtel oder eine Bronzefigur – nie aber eine Person. Menner durfte zudem die Fotos angucken, aber sie boten keinen Hinweis darauf, in welchem Kontext sie entstanden sind. Danach befragt wurde vom Mitarbeiter des BND darauf verwiesen, dass diese Angelegenheiten geheim seien und deshalb nicht preisgegeben würden.

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Stasi ist böse, aber Kopie unserer Geheimdienste

Viele Geheimdienste von heute verweigern sich der Überwachung und geben nur Informationen preis, die sie auswählen. Niemand außer ihnen entscheidet darüber. Uns wird dieses Recht genommen. Warum dies ein Problem ist, ergibt sich im Lauf des Vortrags Menners. Zwischendrin zieht er ein vorzeitiges Fazit, dass nämlich die gezeigten Bilder der Stasi und die ganzen Inhalte der Stasi-Akten ein negatives Bild zeichnen. Doch dieses Bild sei nur eine Kopie aller Geheimdienste dort draußen. Denn man müsste sich nicht einbilden, dass „unsere“ Geheimdienste anders arbeiten würden oder „besser“ seien, als die übrigen. Die Stasi hat funktioniert, wie der BND heute arbeitet, bzw. umgekehrt gelte dies genauso, auch für die CIA, NSA usf. Doch niemand von uns würde je ein so negatives Bild von unseren Geheimdiensten zeichnen, wie wir es von der Stasi getan haben.

Fotos zeigen Ausbildung und Überwachung

Menner erläutert zunächst den Vorgang der Ausbildung von Stasi-Spitzeln anhand von Fotos und Dokumenten aus Lehrbüchern, ehe er dann „echte“ Überwachungsbilder zeigt. Stasi-Agenten wurde gezeigt, wie sie sich richtig tarnen, es wurden Prototypen von Personen geschaffen und die Agenten entsprechend angekleidet, bspw. als „Tramper“, der an der Autobahn mitgenommen werden will, als Bauarbeiter, als Lehrer, Ingenieur, Richter oder Arzt. Es ging darum, in dem überwachten Umfeld nicht aufzufallen.

Entsprechende Bilder aus der CSSR zeigen, dass es in diesem Land deutlich schneller zu einer Eskalation kam und Waffen noch viel mehr eine Rolle spielten als offenbar in der ehemaligen DDR. Dies ist jedoch nur ein Punkt, den Menner darlegt, den man anhand seiner Dokumente als plausibel akzeptiert, jedoch nicht einfach so als zutreffend übernehmen sollte.

Die Überwachung selbst zeigt, dass manche Überwacher normale Menschen waren und während eines Einsatzes von der Langeweile übermannt wurden. Denn einige Fotos zeigen Gegenstände oder einen Hamster, der am Boden liegend fotografiert wurde. Da die übrigen Fotos in der jeweiligen Akte ausschließlich mit dem Ziel gemacht wurden, etwas Negatives über die Person ausfindig zu machen, kann man diese Ausnahmen so interpretieren.

Man mokiert sich über Opfer von Bespitzelung

Ein interessanter Aspekt von Menners Nachforschungen gibt Einblick in die Psyche des Systems und seiner Teilnehmer. Beispielsweise gibt es Fotobelege einer Geburtstagsparty eines Stasi-Vorsehers, der alle Gäste dazu bat, verkleidet zu kommen, und zwar jeder so, wie die Person, die er als Agent zu beschatten hatte. Entsprechend kamen die Gäste als Fußballspieler, Ärzte, Richter, sogar als Ballerina. Auf diese Weise machte man sich über die Opfer der Bespitzelung lustig.

Zynisch ist hingegen ein Moment, in dem ein Mitarbeiter einer Telefon-Abhörbehörde von seinen Kollegen zum „Ritter“ geschlagen wird und eine Auszeichnung erhält. Auf den Fotos trägt er u. a. eine Kette mit dem Paragraphen-Symbol, das das Recht symbolisieren soll. Menner interpretiert dies als zynische Geste derjenigen, die sich über das Rechtswesen hinwegsetzen. Denn selbst in der DDR waren manche Dinge strafbar. Man durfte nicht in die Häuser Fremder einbrechen, tat es aber trotzdem. Agenten hielten mit Polaroid-Kameras den Zustand der Wohnung fest, um nach der Durchsuchung die Dinge wieder an Ort und Stelle so zu drapieren, wie man sie vorgefunden hatte. Die Opfer merkten also nichts von der Überwachung. Hatte man auf diese Weise belastendes Material gefunden, kam man tags drauf oder eine Woche später mit einem Durchsuchungsbefehl wieder und konnte die Personen dingfest machen.

Agenten werden überwacht

Menner trägt außerdem vor, wie Agenten Agenten überwachten. Zu sehen sind Fotos, die Agenten bei der Arbeit zeigen. Dies wurde immer dann gemacht, wenn man Zweifel gegenüber der Integrität der Agenten hegte.

Absurd, so Menner in seinem Vortrag, ist außerdem das Verhalten gegenüber ausländischen Agenten. Manche Länder hatten Abkommen getroffen, so zum Beispiel die DDR mit Großbritannien. Britische Agenten durften nicht verhaftet werden, aber man beobachtete sie bei ihrer Arbeit. So gibt es Fotos, wo ein Agent einen Agenten fotografiert, der wiederum ihn selbst fotografiert. Wenn es also dieses Foto in den Stasi-Akten gibt, dann müsste es umgekehrt das Foto bspw. des britischen Agenten geben, der in demselben Moment den Stasi-Agenten fotografiert. Menner weiß, dass es diese Fotos tatsächlich gibt, soweit kam er mit seinen Nachforschungen. Doch während wir Zugriff auf die Bilder der Stasi haben, beteuert der britische Geheimdienst noch 2015, diese Inhalte seien „Classified“, also als geheim eingestuft.

Menners Fazit lautet deshalb: Selbst wenn unsere eigenen Geheimdienste uns den zugriff auf Inhalte verwehren, wissen wir mit Blick auf die ganzen Stasi-Dokumente bereits, wie sie funktionieren. Wir müssen deshalb die Stasi-Archive als Lehrmaterial über BND, CIA, etc. auffassen. Denn die Bilder mögen ein wenig „aus der Zeit“ geraten sein und natürlich gibt es heute andere technologische Möglichkeiten, doch die Psychologie der Geheimdienste ist überall dieselbe und das Selbstverständnis die Überwachung vor dem Bürger geheim zu halten ebenfalls, weil wir dann feststellen müssten, dass sie zu illegalen Mitteln greift und Gesetze bricht.


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