32C3: Telekom-Jugendschutzfilter rechtswidrig

Alexander Trust, den 1. Januar 2016
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Alvar Freude hat auf dem 32ten Chaos Communication Congress über Jugendschutzfilter und Jugendschutzsoftware gesprochen. Dabei kam heraus, dass eine Software der Telekom gegen deutsches Recht verstößt.

Die Telekom bietet einen eigenen Jugendschutzfilter für Windows an. Laut Alvar Freude protokolliert die Software das Surfverhalten und schickt es an Server der Telekom. Diese wüsste dann darüber Bescheid, was sowohl Kinder als auch Eltern für Webseiten ansurfen würden. Die Nutzer würden darüber vor der Installation jedoch nicht informiert, geschweige denn hätten sie die Möglichkeit, dem zuzustimmen oder es abzulehnen.

Doch der Telekom-Filter ginge noch weiter. Freude konnte bei seiner Analyse feststellen, dass die Software auf Technologie einer IBM-Tochtergesellschaft basiert. Die Untersuchung des Datenstroms zeigte, dass nicht nur vollständige IP-Adressen, sondern sogar die individuellen Mac-Adressen der Netzwerkkarten in den Computern auf Server in den USA gesendet werden – auch dafür gilt: ohne Zustimmung des Nutzers. Dieses verhalten sei als rechtswidrig einzustufen.

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Jugendschutzfilter: kaum genutzt

Während die Rede über den Telekom-Filter den Abschluss darstellte, erläuterte Freude zuvor jedoch den Werdegang von Jugendschutz im Internet. Aktuell wird in Deutschland ein System angewendet, auf das auch Macnotes setzt – setzen muss. Denn es heißt in verklausuliertem Deutsch, dass Betreiber kommerzieller Webseiten das Age-DE-Label-System nutzen „sollen“. Dieses Sollen, so Freude, bedeutet im Klartext müssen, denn in der Theorie wird der Begriff verwendet, wenn es Ausnahmen gibt. Die gibt es auch im Fall des Age-DE-Labels, doch sie treffen auf die allermeisten Webseiten nicht zu. Entsprechend müsste das Gros der deutschsprachigen Webseiten seine Inhalte mit dem Label kennzeichnen.

Die Jugendschutzprogramme würden dieses dann abrufen. Doch aus Stichproben bei großen deutschsprachigen Webseiten weiß Alvar Freude, dass das System kaum genutzt wird. In der Praxis würden es weniger als 0,005% der Webnutzer verwenden. Wie funktioniert es? Webseitenbetreiber kennzeichnen ihre Inhalte und die Jugendschutzsoftware liest diese Kennzeichnung beim Surfen, ruft dazu eine entsprechende XML-Datei ab und einen Meta-Tag im Kopf der Webseite. Über die Auswertung von Logfiles auf Webservern kann man ziemlich genau sagen, wie viele Nutzer überhaupt mit Jugendschutzfiltern das eigene Angebot aufrufen.

Jugendschutzsoftware: kaum zu gebrauchen

Den Anfang von Freudes Vortrag machte jedoch der Hinweis auf die Nutzlosigkeit der Software, die nicht auf Age-DE-Label setzt, sondern eigene Listen führt. Diese Listen, so Freude, würden nicht täglich aktualisiert, wie es die Hersteller vorgeben. Außerdem würde die Software an der Realität vorbeigehen. Beispielsweise sind in den Filterlisten Webseiten von über 30.000 Schulen in ganz Deutschland zu finden, teils auch Grundschulen. Würde man die Software nutzen, könnten Kinder die Webseiten ihrer Schule nicht mehr aufrufen.

Jugendschutz im Web in Zukunft zwangsweise?

Das heute gängige System werde kaum genutzt. Entsprechend klärte Freude im Vortrag darüber auf, dass die Politik sich dies nicht auf Dauer angucken würde. Wenn Eltern nicht zu mehr Jugendschutz greifen würden, würden womöglich Zwangssperren nach dem Vorbild Großbritanniens eingeführt werden müssen.

Zwar sei die Politik lieber bereit auf Eigenverantwortung zu setzen, wie man bei Energie- und Arbeitsmarkt-Politik oft genug sieht. Doch wenn die „Versprechen“ nicht eingehalten würden, käme man am Ende nicht darum herum, ein verpflichtendes System einzuführen.


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