The Daily: Die Vergangenheit der Zeitung, jetzt für iPad

rj, den 3. Februar 2011

Was gestern im Internet stand, jetzt auch als e-Zeitung fürs iPad: The Daily, the day after hinterlässt trotz schöner Tablet-Optimierung auf den zweiten Blick insbesondere einen seltsamen Retro-Charme. Was bei iBooks funktioniert – wie Buch, nur iPad – passt nicht zur Tageszeitung. Die ist auch in erster Linie „wie Zeitung, nur iPad“. Via US-iTunes-Store kann man sich 14 Tage lang kostenlos sein Bild machen.

„Aktuelles Wetter auf dem iPad! Man stelle sich das mal vor!“ – es gibt einigen naheliegenden Spott zur nun in bereits zwei Ausgaben erschienenen iPad-Zeitung „The Daily“, aber zwei grundsätzliche Enttäuschungen nach dem zweiten Blick wiegen schwer: zum einen bleibt eine „Zeitung“, die in einer täglichen Ausgabe erscheint, im webbasierten News-Umfeld hoffnungslos angestaubt. Zum anderen sind trotz einiger schöner und praktischer Ansätze die „Interaktivitäten“, netzbasierte und soziale Potentiale der iPad-Zeitung einfach nicht ausgeschöpft worden.

Es blättert sich schön durch das eher wie ein Magazin als eine Tageszeitung daherkommende „Daily“ (US-iTunes). Darüber, ob der Wechsel zwischen großformatigem Bild und Bild/Textberichterstattung mit einer Gerätedrehung die intelligenteste Bedienungsoption ist, lässt sich streiten – aber die Device-Möglichkeiten wurden ausgenutzt.

Über die Inhalte selbst will man sich nicht streiten – Murdochs Medien stehen nicht im Verdacht allzu großer Progressivität, manche mögen gar den Begriff „reaktionär“ in Zusammenhang mit seinen Publikationen verwenden. Dass Sport, Gossip, Promiklatsch und Unterhaltung gut funktionieren, steht außer Frage – auch auf dem iPad.

Viel „iPad-Portierung“ wirkt aber allenfalls gewollt. Multimediale Inhalte sind da – wirken aber oft schlicht „aufgepfropft“.

  • Landrover wirbt mit einer „Tap the Globe“-Ad – der Tipp auf die Weltkugel startet ein Quicktime-Video, das war’s.
  • Beim Blättern landet man auf einem Werbefilm für den Animationsfilm „Rio“.
  • Will man mehr wissen, ist man aufgeschmissen, denn einen Link zur Film-Website etc. gibts nicht, der Tipp aufs Video oder das Hochkant-Standbild blättert nur vor und zurück.
  • Bilderstrecken, Audio- und Video-Addons zu Artikeln etc. funktionieren – sobald es aber etwas „vernetzter“ werden könnte, ist in der Regel Schluss.  Selbst eine Vorstellung von iPhone-Lieblingsapps öffnet nur Kommentarblasen, wenn man auf die App-Icons tippt. Ein Rhiannha-Artikel hat eine Twitterbox spendiert bekommen – mit Stunden alten Inhalten.

Das gleiche bei den „Social“-Features. Man kann einen Artikel tweeten – der gezwitscherte Link verweist allerdings auf eine als reine Grafik dargestellte Webseite des so getweeteten Artikels. Kommentieren kann man immerhin beim Artikel per Text oder Mikro (!) – nette Idee, und es bleibt abzuwarten, wie viel und wie lebhafte Diskussionen entstehen und wie weit sie zugelassen werden.

Ansonsten wurde das Konzept der „gedruckten Zeitung“ auf dem iPad weitgehend konsequent durchgehalten – vom „Seiten umblättern“ über das tägliche Sudoku und Kreuzworträtsel (für diese Features braucht es eine Game Center-Anmeldung) bis hin zum täglichen Horoskop (wofür man sein Sternzeichen unter den ansonsten mageren App-Einstellungen angeben kann). Eine Ansicht bisheriger Ausgaben war bislang keines zu finden, Seiten können jedoch per Lesezeichen gesichert werden.

Bugs, anyone? Zwei unmotivierte Abstürze und ein dreimaliges „Eine neue Ausgabe wird geladen“ während einer starken Stunde Nutzung, andere Erfahrungen sind höchst erwünscht, denn die genannten Vorfälle sind angesichts jailbroken iPad, recht intensiver Synchronisiererei beim Testen und der parallelen Verwendung der gestern schon vorgestellten Zagg mate with Keyboard-USB-Tastatur zum einen wenig aussagekräftig und weiter nicht unbedingt der The Daily-App geschuldet.

Ein Fazit? Die Zeitung der Zukunft hat man mit dem „The Daily“ definitiv nicht zu sehen bekommen. eher eben die Zeitung von gestern, nur eben auf dem iPad. was sehr negativ klingt, hat auch seine positiven Aspekte – Murdoch versucht augenscheinlich, eine Klientel fürs iPad zu gewinnen, die eben das gewohnte „Zeitungsfeeling“ plus gelegentlichem Mehrwert auch auf ihrem neuen elektronischen Gadget nutzen möchten. Berührungsängste zum neuen Medium bzw. der neuen Plattform gar nicht erst aufkommen zu lassen, auch bei einer konservativeren Leserschaft und niedrigem „Early Adopter“-Anteil – wenn das das Ziel war, könnte „The Daily“ auf einem guten Weg sein.

„This is just the beginning, and our readers’ input will shape the future of The Daily.“ schreibt es in der Willkommensmail des The Daily nach der Registrierung. Das lässt Raum für Verbesserungen, und ambitionierte Projekte sind selten vom Start weg vollkommen überzeugend. Murdoch scheint gewillt, Ressourcen in die Geschichte zu stecken – Luft nach oben hat er bislang noch genug.


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