Apple und die Perfektion, oder: Warum 9:42 Uhr?

mz, den 25. Januar 2012

Dass bei Apple auf jedes noch so kleine Detail großer Wert gelegt wird, ist kein Geheimnis. Diese Erkenntnis legt allerdings nahe, dass es für alles, woraus iPhones, Macs, die entsprechenden Werbespots und jegliches Zubehör bestehen, einen Grund gibt. Ein neues Buch blickt hinter die Kulissen.

„Inside Apple – How America’s Most Admired and Secretive Company Really Works“ von Adam Lashinsky dokumentiert den Prozess von einer Idee über zahllose Schritte des Designs und der Diskussion über noch so kleine Kleinigkeiten bis hin zum fertigen Produkt. Dieser komplexe Prozess hat bekanntlich schon so manches revolutionäre Gerät hervorgebracht. So gibt Scott Forstall – und das ist noch wenig überraschend – offen zu, dass er mit einer Fotolupe bewaffnet über dem iPhone gebeugt jeden einzelnen Pixel einer Benutzeroberfläche untersucht, bis alles dort sitzt, wo es hingehört, denn auch über einzelne Pixel habe es in Cupertino schon den einen oder anderen Streit gegeben. Wir erinnern uns an die Geschichte mit dem falschen Gelbton im Google-Logo, wegen dem Steve Jobs extra an einem Sonntag den entsprechenden Google-Manager anrief.

Der Hang zur Perfektion spiegelt sich selbstredend nicht nur in den fertigen Produkten wider: Auch deren Verpackung ist bei dem einen oder anderen Apple-Nutzer nicht einfach im Schrank, sondern als Blickfang auf der Kommode gelandet. Nicht zuletzt besitzt der Konzern mit dem Apfel auch einige Patente auf das Verpackungsdesign seiner Geräte, welches oft kopiert wird. Auf YouTube häufen sich nach jedem Verkaufsstart Videos vom „Unpacking“ der neuen Lieblingsspiel- und -Arbeitsgeräte der begeisterten Nutzer.

Ein Beispiel ist die Uhrzeit auf den in Apple-Keynotes abgebildeten Geräten. Meistens zeigten die neuen iPhones 09:42 Uhr an. Der Grund dafür ist einfach: Laut Scott Forstall liege es daran, dass den Präsentationen eine gemeinsame Struktur zugrunde liegt: Das erste Auftreten des Produktdesigns eines neuen Gerätes liegt etwa bei 40 Minuten nach Beginn der Veranstaltung. Da diese zumeist um 9 Uhr Ortszeit beginnen und man festgestellt hat, dass diese Zeit nicht genau eingehalten wird, wurde 9:42 als Zeit ausgewählt. Die Besucher der Präsentation sollten dieselbe Zeit auf der Leinwand sehen wie auf ihrer Uhr.

Im Hause Apple existiert ein „secret packaging room„, in dem ein Verpackungsdesigner immer und immer wieder Produktkartons öffnete, um festzustellen, bei welchem Karton das Öffnen am meisten Spaß macht und am elegantesten vonstatten geht. Darüber hinaus tüftelte er am besten Mechanismus, um das neue Gerät aus dem Karton zu hebeln. Verschiedene Kombinationen von Aufklebern und gedruckten Pfeilen und Folien wurden endlos durchprobiert, bis der beste Modus Operandi gefunden war.

Das Buch von Lashinsky birgt aber mehr als nur diese teils bizarren Einblicke in Apples Produktpolitik. Diese dürften umso interessanter sein, seit gestern die Quartalsgewinne des kalifornischen Konzerns bekannt gegeben wurden und als das zweiterfolgreichste Quartal einer Firma überhaupt in die Geschichte eingehen wird. In mehreren Auszügen, die bei 9to5Mac veröffentlicht wurden, ist unter anderem die Rede davon, dass iOS-Chef Scott Forstall der „CEO-in-waiting„, also aktuelle Nummer Zwei in Cupertino ist. Unter anderem wird dort auch genannt, dass Forstall das gleiche Auto fährt wie Jobs gefahren ist: einen silbernen Mercedes SL55 AMG. Lashinsky hat seine Informationen aus vielen Interviews, die er mit Apple-Mitarbeitern und ihnen nahestehenden Personen geführt hat, darunter auch der Biograf von Steve Jobs, Walter Isaacson.

In einem der Auszüge heißt es:

Apple employees know something big is afoot when the carpenters appear in their office building. New walls are quickly erected. Doors are added and new security protocols put into place. Windows that once were transparent are now frosted. Other rooms have no windows at all. They are called lockdown rooms: No information goes in or out without a reason.

Dementsprechend gibt es in der Firmenzentrale nach Entscheidungen, ein neues Produkt zu entwickeln, teils krasse Sicherheitsvorkehrungen. Neue Räume ohne Fenster, Zugangsberechtigungen nur für ganz wenige, bestimmte Personen. Zum „industrial design bunker„, in dem Jony Ive seine Ideen in die Realität umsetzt, dringt gar nur eine Handvoll Leute vor.

Auch über die Vorbereitungen zu den großen Launch-Events lassen sich so einige interessante Details erfahren: Wer an den Präsentationen mitarbeitet, erhält ein passendes Leitfaden-Heftchen, in dem jeder wichtige Schritt auf dem Weg zum Event haarklein beschrieben ist. Am Ende steht der Satz, von dem bisher immer nur gemutmaßt wurde, dass es ihn gibt: Wenn dieses Exemplar in die falschen Hände gerät, hat es sich für die verantwortliche Person ausgeapplet. Fristlose Kündigung.

Wer neugierig geworden ist, sollte sich das Buch einmal anschauen. „Inside Apple“ von Adam Lashinsky gibt es in der englischen Originalversion unter anderem bei Amazon. Auch im iBooks Store ist das Werk interessanterweise erhältlich, würde man doch erwarten, dass Apple das Ausplaudern derartiger Interna gegen den Strich ginge. Zusammen mit der Steve-Jobs-Biografie von Walter Isaacson, die viele weitere Details über den Apple-Gründer und die Geheimniskrämerei in der Zentrale in Cupertino enthält, bildet es sicher zurzeit den tiefsten Einblick, den man ins Innere des Konzerns mit dem Apfel haben kann.

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