Kommentar: Streaming ist ein Weg in die Abhängigkeit, oder?

Alexander Trust, den 16. Dezember 2014
Spotify für Samsung Smart TV
Spotify für Samsung Smart TV

Musik-Streaming ist in Form von dutzenden Anbietern wie Spotify, Deezer, etc. oder beim Video-Streaming mit Plattformen wie Watchever und Netflix seit einiger Zeit auf dem Vormarsch. Doch so, wie das System derzeit funktioniert, führt es Nutzer in die Abhängigkeit und fördert nicht den Geist des Marktes. Eine Lösung ist jedoch relativ simpel, aber nicht marktgerecht.

Wo und wann ich will

Services wie iTunes Radio oder Pandora sind nicht (mehr) besonders gefragt. Statistiken zeigen, dass Nutzer vor allem Eines wollen, sich aussuchen, welche Musik sie wann hören. Gleiches gilt für den Bereich von Video-Streaming. Die klassischen Video-on-Demand-Produkte sind nicht so interessant, wie Streaming-Services à la Amazon Instant Video oder Watchever und Netflix. Videospiele waren lustigerweise so etwas wie Vorreiter und haben bislang jedenfalls die Klientel nicht dafür interessieren können, blickt man auf das Beispiel von Gamesload. Doch weil der Erfolg des Konzepts im Bereich Audio und Video versuchen nun auch Spielehersteller wie Electronic Arts das Geschäftsmodell zu kopieren.

Die Vorteile liegen auf der Hand: statt sich auf eine vorgegebene Liste von Inhalten zu konzentrieren, kann man vermeintlich „Alles“ hören und sehen, wann und wo man will. Immerhin sind die genannten Services, sowohl am Computer als auch unterwegs auf dem Smartphone und Tablet verfügbar.

Der Weg in die Abhängigkeit: offline hören und sehen, Sammelleidenschaft

Eine positive Änderung der Dienstleister, die den Services weiter Auftrieb verliehen hat, war die Bereitstellung der Inhalte offline. Dazu musste man sich jedoch einen entsprechenden Kopierschutz ausdenken, der verhindert, dass man die Medien außerhalb des Abos nutzen kann. Wer jedoch diese Funktion nicht anbietet, hat mittlerweile bei Kunden schlechte Karten. Viel zu gerne wollen eben die Nutzer ihre Filme auf dem Tablet offline gucken, bspw. während eines Fluges, bei dem keine Internetverbindung zur Verfügung steht. Noch schnell vor dem Urlaub die eigene Playlist auf das Gerät herunterladen und dann in den Ferien die eigene Musik übers Smartphone oder Tablet abspielen, ist ein weiteres Szenario, das den Konsumenten gefällt.

Dies Alles war der erste Schritt in eine Abhängigkeit der Konsumenten, der sich darüber hinaus in der Möglichkeit manifestiert, seine eigenen Playlists oder seine eigene Sammlung einzurichten. Bei Spotify lautet die Funktion „In ‚Deine Musik‘ speichern“ und wird durch ein +-Symbol gekennzeichnet. Der Nutzer kann damit beim Anbieter Lieder zu seinem Korpus hinzufügen. Doch jeder, der schon einmal diesen Button gedrückt hat, hat gleichzeitig dafür gesorgt, dass er sich immer weniger vom Anbieter trennen kann.

Spotify und andere versprechen den Nutzern ein schier unendliches Angebot. Dieses Versprechen können die Anbieter jedoch nicht einlösen. Ein prominentes Beispiel ist die Gruppe Rammstein. Deren Songs waren vor dem Dezember 2014 überhaupt nicht auf Spotify verfügbar, obwohl es die Plattform seit 2006 gibt. Das bedeutet jedoch lediglich, das Nutzer Prioritäten bei der Auswahl der Dienstleister setzen müssen. Meist gewinnt der Anbieter, der gerade das persönliche Favourite im Angebot hat. Krimi-Serie gefällig? NCIS gibt es nicht dort, wo es CIS (*) gibt und umgekehrt. Hat man diese Entscheidung einmal getroffen, „hofft“ man darauf, dass der Anbieter zukünftig das Portfolio erweitert. Am Beispiel von Rammstein und Spotify kann man ablesen, wie lange es mitunter dauern kann. Und wenn Verträge auslaufen, was macht man dann? Wechselt man den Anbieter?

Was macht jemand, der sich eine Musik-Sammlung bei einem der Streaming-Anbieter angehäuft hat, und der aber vor eine von vielen Entscheidungen gestellt wird: Das neue Album von X gibt es hier nicht, also muss ich zu X wechseln. Ist das Album wichtig, könnte man wechseln, verliert dann aber die eigene, mühsam angehäufte Sammlung und seine Playlists. Möchte man das vermeiden, könnte man womöglich zwei Anbieter abonnieren, doch auch dann hat man das Problem, dass man beim neuen Anbieter erst wieder seine Musik-, Film- und Serien-Favoriten zusammensuchen muss. Wahrscheinlich verweilt man dann lieber bei seinem Anbieter und hofft, dass der dieselben Inhalte ebenfalls zu seinem Angebot hinzufügt, anstatt zu wechseln. Jedenfalls in den Fällen, in denen das „liebe Geld“ eine Rolle spielt. Ist ja nicht jeder Krösus.

Warum Abhängigkeit?

Den Begriff der Abhängigkeit muss man einerseits wegen des Abo-Modells ins Gespräch bringen. Man könnte statistisch auswerten, wie viel das vermeintliche „Mehr“ an Möglichkeiten auf Dauer kostet, im Vergleich zum bisher verfügbaren Kauf von CDs und DVDs.

Geht einem aber irgendwann einmal der Groschen aus, kann man seine Lieblingssongs und -Filme nicht mehr hören oder gucken, weil dann nämlich der Draht zum Anbieter still bleibt. Ohne Asche in der Tasche ist man niemand mehr – und was dann? Raubkopieren ist auch keine Lösung.

Lösung: Export-Funktion fehlt

Vor allem im Bereich der Musik, aber auch bei Filmen gilt: Während man beim Kauf von CDs und DVDs/Blu-rays die Möglichkeit hat, die Musik immer wieder zu hören, gibt es beim Streaming (absichtlich) Ausnahmen und keine Option für den Wechsel.

Gerade bei der Musik ist denke ich das Potenzial / die Gefahr am größten, dass Nutzer bei einem Anbieter hängen bleiben, weil sie sich sehr viel Mühe gegeben haben, ihre Musik, die sie vor Jahren offline gesammelt haben, jederzeit verfügbar zu haben. Eine Lösung für das Dilemma, die freilich nicht marktgerecht wäre, ist meines Erachtens die Möglichkeit des Exports der eigenen Favoriten und Playlists, damit man auch beim Wechsel von Spotify zu Deezer nicht wieder bei Null anfangen muss.


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