Kommentar: Das Hamsterrad, das keines ist

Alexander Trust, den 12. Juni 2015
Basic Thinking - Logo
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Wir wollen raus aus dem Hamsterrad, aber warum eigentlich? Ein naives Gefühl von vermeintlicher Freiheit treibt manche Leute genau zu dieser Aussage. Ganz aktuell hat sie Chefredakteur Tobias Gillen von Basic Thinking getroffen, der sein Heil darin sieht, nicht mehr über Apple-Events zu berichten. Ich bin der Meinung, dass Gillen nach wie vor in einem Rad gefangen ist. Jeder sollte sich deshalb eines suchen, in dem er Spaß hat zu laufen.

Vorweg: Ich hab mich vor einiger Zeit schon einmal kritisch gegenüber „dem neuen Basic Thinking“ geäußert, nicht etwa, weil ich so garstig bin, dass ich den ganzen lieben langen Tag nur negativ über andere Leute sprechen oder schreiben möchte, sondern weil ich gern skeptisch bin und Dinge hinterfrage.
Dass habe ich übrigens schon Anfang 2000 getan, als die Webseite noch ein Blog eines Geeks war, der versucht hat Leuten zu erzählen, was er alles hat und alles kann und oft auch nicht konnte – richtig Robert Basic. Die Leute fanden das damals toll, weil sie das gerne ebenfalls hätten haben wollen. Jedem, der diese Attitüde kritisierte, wurde eine Neid-Debatte aufgehalst, weshalb ich dieses Fass damals nie aufgemacht habe, sondern lieber Konsolen und Handhelds gesammelt habe, ohne anderen Leuten davon zu erzählen.

Ein bisschen technisch elaborierter geschieht diese „Vermittlung von Leidenschaft für eine Sache“ seit Jahr und Tag bei MobileGeeks und vorher NetBookNews. Sascha Pallenberg wollte auch, dass seine Leser merken, mit welcher Leidenschaft er und die Seinen bei der Sache sind. Pallenbergs Ansatz hat mir damals wie heute besser gefallen, aber trotzdem habe ich Dinge kritisiert, die er von sich gegeben hat.

Lob haben sowohl Basic als auch Pallenberg in anderen Situationen ebenfalls von mir erhalten – worauf will ich also hinaus? Der Zeitpunkt, an dem ich Gillen und die Seinen bei Basic Thinking lobe, lässt noch auf sich warten.

Hamster wechselt das Rad, mit Absicht!

Gillen und die Redaktion von Basic Thinking haben „entschieden“, dass sie nicht mehr über „Apple-Events“ berichten wollen, just zu dem Zeitpunkt, als Apples Special Event abgehalten wurde. Stammlesern von Macnotes ist aufgefallen, dass wir schon zum zweiten Mal in Folge keinen Liveticker mehr angeboten haben, obwohl wir dies in den Jahren zuvor immer getan haben. Dies explizit nach außen kommuniziert habe ich nicht, weil das vor allem Nutzern über Google eine Message gegeben hätte, die sie sowieso nicht interessiert.
Tatsächlich aber habe „ich“ in einem anderen Fall entschieden, dass bei Macnotes nur noch Sponsored Posts mit Nofollow-Links veröffentlicht werden, die als solche gekennzeichnet werden, solange ich dabei bin, und zwar, obwohl ich am Umsatz beteiligt wäre. Dies war für mich Bedingung, die redaktionelle Arbeit zu betreuen, nachdem das Magazin im Juni 2014 übernommen wurde. Das muss man dem Betreiber insofern auch anrechnen, weil er es bei anderen seiner Projekte nicht so handhabt. Diese Entscheidung geht aber in jedem Fall zu meinen eigenen Lasten, denn nun rennen uns die Linkkäufer nicht mehr die Bude ein, oder wenn sie es tun, bekommen sie zynische Antworten, wegen derer man sich nicht schämen braucht. Ich möchte etwas Seriöses machen, und wenn ein Werbekunde nicht zustimmt, dass sein gekaufter Artikel eindeutig als Werbung gekennzeichnet wird, dann ist er für mich nicht seriös – Punkt.

Die Sache mit der Werbung

Apple hat gerade mit iOS 9 die Möglichkeit zur Entwicklung von Adblockern für den Mobile Safari zugelassen und bei einer Perspektive von stetig wachsendem Zugriff über Smartphones und Tablets (Macnotes hat beispielsweise mittlerweile 50% und mehr Besucher über Smartphones und Tablets) kann man sich ausrechnen, welche Perspektive das Modell „Werbung bei Webseiten“ gerade hat. Also suchen alle händeringend nach Alternativen; Apple hat übrigens mit Apple News eine präsentiert.

Ich weiß, dass ein Damokles-Schwert über uns schwebt, dass Inhalte irgendwann nicht mehr frei sein werden, weil sie nur noch in geschlossenen Zirkeln gehandelt werden… So wie bei AOL und Compuserve damals, oder noch schlimmer? Damals hat das niemanden interessiert, wenn Boris Becker schon drin war in dem geschlossenen System und wollte, dass andere es ihm nachtun. Warum ist das heute so ein Thema?
Suchmaschinen-Anbieter wie Google und Bing, aber auch Apple, fangen an Apps nach Inhalten zu durchsuchen, und zeigen so, wo die Richtung hingeht. Besser man hat eine eigene App… Facebook, das gerne ein zweites Internet erschaffen möchte, ist diesbezüglich nicht ganz aus dem Spiel. Im Umfeld von Social-Media-Marketeern wird nämlich schon seit geraumer Zeit diskutiert, ob es sich überhaupt lohnt eine eigene Webseite zu betreiben und man nicht lieber Content über spezielle Social-Media-Kanäle (Twitter, Facebook, Instagram, Pinterest, etc.) abwickelt, selbst wenn man ihn damit den Anbietern überlässt. Geld machen lässt sich so nämlich trotzdem. Wer als Technologie-Unternehmen einen eigenen Reddit-Kanal für seine Marke hat, gewinnt damit sogar latent an Glaubwürdigkeit gegenüber Kunden, weil man von der Glaubwürdigkeit Reddits selbst profitiert.

Doch zurück zum Web, wie es heute „noch“ funktioniert. Anders als bei Basic Thinking hat Sascha Pallenberg für MobileGeeks nicht gesucht, sondern „geschaffen“, und zwar gesponserte Themenkanäle. Dies tat Pallenberg, weil er wusste, wie viel Geld er darüber erzielen kann und dieses Konzept schon vorher ausprobiert hat. Deshalb war es leichter für MobileGeeks, der Werbung Lebewohl zu sagen.
Leichter jedenfalls als für Basic Thinking, ich wiederhole mich da gerne. Denn dort hat man das Blog verkauft, und von jetzt auf gleich ausgerufen, man trennt sich von der Werbung. Wie geht das? Ist der neue Eigner ein Gutmensch, der nicht scharf ist, auf Geld? Wollen die Redaktionsmitglieder nichts mehr verdienen? Beides ist sicher nicht der Fall. Der neue „kölsche“ Besitzer zahlt bei Basic Thinking die Redaktion wahrscheinlich aus der Portokasse, jedenfalls dem Wert seiner übrigen Unternehmungen und Stationen nach zu urteilen, und wenn man bedenkt welche „Peanuts“ er für Basic Thinking ausgegeben hat. Dann hieß es: Wir canceln die Werbung und ihr werdet trotzdem bezahlt… Das ist nicht schlimm, blöd find ich bloß, dass das dort niemand direkt kommuniziert. Das hab ich schon bei meinen Eltern und Lehrern doof gefunden, wenn ich mehr wusste als sie mir verraten wollten. Vielleicht will man uns bei Basic Thinking etwas zwischen den Zeilen erzählen und in dubio pro reo: Vielleicht wissen sie nur nicht, wie.

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„Meines Erachtens“ ist Basic Thinking als Marken-Experiment gekauft worden, um dort alternative Vertriebswege zu testen. Die E-Books, die man dort jetzt verkauft, sie werden zum Beispiel von Gillen als Herausgeber unter dem Label „Basic Thiking“ angeboten. Clever, oder? Aus dem Blog macht man eine Marke. Nun, wenn es denn klappt, finde ich das prima, aber dann hätte man es von Anfang an sagen können, ohne den ganzen Kladderadatsch von keiner Werbung und Hamsterrädern.

Obwohl der aktuelle Beitrag Gillens überhaupt nichts mit Werbung an und für sich zu tun hat, erwähnte er trotzdem noch einmal, dass Basic Thinking auf Werbung verzichtet – „wir“ haben es doch schon längst kapiert. Eigentlich wollte er doch betonen, dass man nicht mehr über Apple-Events berichtet und damit aus dem Hamsterrad ausbricht, weil man die Quote nicht mehr beachtet und sich frei macht.

Herzlich Willkommen: das neue Hamsterrad

Tut man das wirklich? Ich sage: Nein. Denn auch E-Books wollen gekauft werden und eine Marke braucht Fans. Wenn es eine Nische bleibt oder sein soll, dann werden sukzessive die Preise angehoben. Hoffentlich haben dann die Betreiber ein gutes Händchen für die Preispolitik, auf die Kunden sehr sensibel reagieren. Wer Marketing und/oder Betriebswirtschaft studiert hat, wird wissen, wovon ich spreche. Coca-Cola hat vor Jahrzehnten durch eine solche „Fehlentscheidung“ den ewigen Konkurrenten Pepsi, der fast schon vor dem Aus stand, überhaupt erst so stark gemacht, wie er heute ist…

Nun soll also Basic Thinking mit Know-how glänzen, doch dass muss man sich „erst jetzt“ erarbeiten. Denn all die Jahre vorher, auch unter Basic, hab ich nie das Gefühl gehabt, anders als zum Beispiel bei Netzpolitik, t3n, Postillon, Selbständig im Netz oder eben MobileGeeks, dass einer der Beteiligten „irgendwofür“ steht. Selbst Sascha Lobo hat seine Pop-Kultur-Schublade bekommen und Deutsche Startups (!sic) und Gründerszene, was sie verdienen.
Wofür steht Basic Thinking? Diese Frage brennt meiner Meinung nach derzeit den Betreibern „noch mehr“ zwischen den Fingern als vorher das Hamsterrad von Werbung und Klicks. Jetzt, so Gillen, müsse man nicht mehr auf Klicks gucken? Warum eigentlich nicht? Der Verkauf von E-Books bemisst sich ebenfalls über die Konversionsrate. Ich denke nicht, dass E-Books das einzige Produkt von Basic Thinking bleiben werden, und also muss man sich gegenüber den Kunden rechtfertigen, die heute noch „nur“ die Leser sind, warum sie diese interessant finden, und kaufen sollen. Sind 74 Seiten „Start-up!“ deshalb wirklich ein gelungenes Produkt zum Einstieg? Sind sie ein E-Book? Oder nicht doch eher ein „E-Heftchen“? Ist deswegen der Verkaufspreis von 3,49 Euro angemessen, oder doch zu billig?

Ihr habt das Hamsterrad gewechselt, lieber Tobias, mehr nicht. Ich wünsche euch, dass ihr euch eines ausgesucht habt, indem ihr auf Dauer Spaß haben könnt.


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