Flipboard: Wir waren 5 Jahre früher da – ja, und?

Alexander Trust, den 13. Juni 2015

Auf der WWWDC-2015-Keynote hat Susan Prescott, Vizepräsidentin des Bereichs Produkt-Marketing, das neue Apple News vorgestellt. Jeder Beobachter hat zuerst gedacht, dass der Service wie Flipboard „ausschaut“ – nun wird die Zusammenarbeit des Herstellers mit Apple zunehmend schwieriger gesehen. Wer genauer hinsieht, stellt fest, dass Apple News deutlich interessanter für Publisher ist als Flipboard und außerdem das WWW von heute in eine Zeit führt, die an die 1990er erinnert, als AOL und CompuServe in Deutschland noch von Bedeutung waren.

In einem Interview mit BBCs Tech Tent hat der Geschäftsführer Flipboards, Mike McCue, ebenfalls auf die Ähnlichkeiten von Apple News mit seinem eigenen Service Flipboard hingewiesen und betont, dass man 5 Jahre früher am Markt gewesen sei.

Das würde, so McCue, die Zusammenarbeit mit Apple, die durchaus besteht, in der Art, dass man eine App für iPhone und iPad anbietet, ab sofort etwas komplizierter gestalten.

„We’re clearly onto something at Flipboard. What Apple was showing is something that we actually shipped five years ago.“
Mike McCue

Apple News keine 1:1-Kopie

Während oberflächlich das Prinzip und die Optik von Apple News derjenigen von Flipboard ähneln, ist Apple News keine direkte Kopie von Flipboard – es gibt viele Fakten, die dies belegen. Nicht zuletzt führt Apple ein eigenes „Apple News“-Format ein, das mehr wie bei einem iBook auf einem „proprietären“ Level agiert. Das führt die Nutzer weg vom „eigentlichen“ Internet, von dem manche fürchten, dass es auf diese Weise von Google, Apple und Facebook mit seinen eigenen Formaten untergraben würde.

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Anbieter können schon jetzt ihre RSS-Feeds einreichen, doch Apple wird wohl nur einen groben Schnitt machen, um zu erkennen, welche Art von Medien in den allermeisten Fällen genutzt werden, um diese zuallererst in sein „Apple News“-Format zu integrieren und Verlegern dann entsprechende Werkzeuge an die Hand zu geben. Einerseits ist eine Software wie iBooks Author denkbar, doch als Rails-Entwickler würde ich in jedem Fall eine Art API erwarten, über die man Inhalte im JSON-Format an Apple News senden kann.

Der größte Unterschied

Freilich gibt es noch einen weiteren Unterschied zwischen Flipboard und Apple News. Der Service aus Cupertino kontrolliert die Monetarisierung über Werbung in Form von iAds. Flipboard hingegen bietet selbst fünf Jahre nach dem Start nur ausgewählten großen und eventuell größeren Publishern eine generische Form von Werbung an. Die übrigen dürfen lediglich ihre RSS-Feeds einreichen und bieten ihre Inhalte gratis an, bzw. erhöhen so ihre Reichweite über den beliebten Service, verdienen aber kaum daran. Als Anhaltspunkt: Flipboard hat im Mai 2015 rund 4100 Besucher zu Macnotes weitergeleitet.

Apple News hingegen wird den Verlegern, und seien sie auch noch so klein, nach einer ersten Betaphase, die vielleicht schon mit der Beta von iOS 9 abgeschlossen sein könnte, die Möglichkeit bieten, ähnlich dem Geschäftsmodell des App Stores, ihre Inhalte zu monetarisieren.

Es mag traurig sein für das World Wide Web und Puristen, doch wenn genügend Nutzer auf Apple News setzen, dann entsteht dort zumindest für „Nachrichten“ ein Netz neben dem Netz. Gelingt dies, dann werden wir 2015 eine Zeitreise antreten, in die 90er Jahre. Denn zu dieser Zeit waren CompuServe und AOL in Deutschland besonders beliebt. Das waren damals Netze neben dem eigentlich Netz, wenn man von Mailboxen absieht.
Ich selbst habe seinerzeit als „Scout“ für AOL in Hamburg „gearbeitet“ und Themenkanäle betreut, was mir „kostenloses“ Internet via AOL ermöglichte. Kostenlos deshalb in Anführung, weil man seinerzeit doppelt zur Kasse gebeten wurde und neben den Verbindungsgebühren auch solche für einen Internet-Anbieter zahlen sollte, von denen AOL und CompuServe die bekannteren waren. Während man also die AOL-Gebühren sparte, gab es trotzdem Ziffern auf der Telefonrechnung.


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